"Liberale als Angestellte von Angela Merkel gelandet"

Der FDP-Politiker Dirk Niebel über den bevorstehenden Koalitionsgipfel und den Zustand seiner Partei

Wird sich die Koalitionsspitze am Sonntag auf den Mindestlohn verständigen?

Niebel Das Thema Mindestlohn ist im Koalitionsvertrag abschließend geregelt. Es wird keinen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn geben. Das ist so vereinbart, und dabei bleibt es. Wir haben heute schon Vereinbarungen von Tarifpartnern über Mindestlöhne in verschiedenen Branchen. Die FDP hat dem auch zum Beispiel im Pflegesektor zugestimmt, weil es dort nötig ist. Wenn selbst die Arbeitgeber eine Lohnuntergrenze verlangen, wird man sich der Diskussion stellen müssen. Ich könnte mir vorstellen, dass die Tarifparteien über verschiedene Branchen oder verschiedene Regionen solche Vereinbarungen treffen. Das ist sinnvoll. Aber ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn wird den Problemen nicht gerecht. Sonst bekommen wir in jedem Wahlkampf einen neuen Überbietungswettbewerb.

Seit wann weiß die FDP von den Lockerungsübungen der Kanzlerin beim Mindestlohn?

Niebel Wenn wir ehrlich sind: seit den Koalitionsverhandlungen. Da war ich selbst Verhandlungsführer für dieses Thema. Und deshalb haben wir ja gerade darauf bestanden, dass es keine flächendeckende gesetzliche Regelung geben wird. An dieser Vereinbarung halten wir fest.

Sie haben zwar gute Nerven – aber nicht doch manchmal auch Sehnsucht nach Zeiten, als die FDP stabil zwischen neun und 15 Prozent lag?

Niebel Man braucht gute Nerven, um in der FDP zu sein. Ich habe eine große Sehnsucht nach der Zeit, in der wir eine Bundestagswahl mit 14,6 Prozent fulminant gewonnen haben. Das war eine tolle Sache und absolut verdient. Wir haben dann Vertrauen verloren durch viele verschiedene Dinge. Auch durch eigene Fehler, aber nicht nur. Da sind auch alte Rechnungen beglichen worden. Aber ich bin sicher, dass wir die Bürger von der Notwendigkeit der FDP überzeugen können. Je näher wir an den Wahltag heranrücken, desto deutlicher werden die Alternativen, die ein bürgerlicher Wähler sicher nicht in der Regierung haben will. Deshalb weiß ich, dass wir uns zusammenrappeln und es schaffen werden. Es wird allerdings ein weiter Weg.

Aber so lange lag die FDP in Umfragen noch nie am Stück unter fünf Prozent. Ihr Parteifreund Kubicki sieht die FDP sogar "generell in Verschiss".

Niebel Das Zitat enthält ein gewisses Maß an Wahrheit, aber es trifft trotzdem nicht. Wir haben viele Dinge richtig angestoßen, und wir wollen noch mehr Gutes bewirken. Wir sind besser, als man es der veröffentlichten Meinung entnehmen kann. Es geht darum, wie sich die Lebensumstände der Bürger im Detail verbessern. Mit dieser Bilanz können wir uns schon jetzt sehen lassen.

Manche kriegen trotzdem die Flatter und sagen, die FDP sollte sich rechtzeitig in der Opposition neu aufstellen.

Niebel Die Erneuerung in der Opposition haben wir seit gut zwei Jahren abgeschlossen. Jetzt wollen wir gestalten. Die Menschen haben uns gewählt, weil sie von unseren Inhalten überzeugt waren. Wir werden doch deshalb so schlecht angesehen, weil wir noch zu wenig davon umsetzen konnten. Anders formuliert: Wir sind als Bürgerbewegung in die Regierung gestartet und als Angestellte von Angela Merkel gelandet.

Gregor Mayntz führte das Gespräch.

(RP)
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