Michael Spreng und Matthias Machnig trafen aufeinander Erster Schlagabtausch der Kanzlermacher

Berlin (RP). Der eine mit dickem, schwerem Aktenkoffer und korrekt geschnittener Kurzhaarfrisur. Der andere mit dünner, angefledderter Pappmappe und locker geschwungenem Haarschopf. Der eine konzentriert und eher angestrengt, der andere lässig und eher amüsiert.

Der eine Wahlkampfleiter des Stoiber-Teams, der andere Wahlkampfmanager der Schröder-Mannschaft. Erstmals trafen Michael Spreng und Matthias Machnig direkt aufeinander, als die Deutsche Vereinigung für Parlamentsfragen wissen wollte: "Machen Medien Kanzler?"

Diese Frage rückte natürlich in den Hintergrund, nutzten die Gestalter des Wahl-Kampfes doch die Gelegenheit, sich gegenseitig erst einmal abzutasten. Machnig erhob die ständige Wiederholung klarer Botschaften zum "ästhetischen Prinzip", entwickelte die dreifache K-Frage aus exakter Koordination, gezielter Konzentration und wichtiger Kontroverse zum Regie-Entwurf einer erfolgreichen Kampagne und wies gleich eingangs darauf hin, dass auch eine noch so professionelle Inszenierung keinen Erfolg verspreche, wenn die politische Substanz fehle.

Machnigs geschmeidige Soziologen-Argumentation war möglicherweise nach dem Geschmack der Wissenschaftler unter den Zuhörern - Spreng hingegen konnte und wollte damit nicht dienen. Er kündigte vielmehr sogleich an, "ins Konkrete auszuweichen" und berichtete aus seinen Erfahrungen als Chefredakteur der Bild am Sonntag, dass gegen "Grundströmungen" in Gesellschaft und Leserschaft nichts zu machen sei: "Die Medien kriegen sie erst mit, wenn sie sich schon entwickelt haben, selbst inszenieren können sie diese nicht." Aus der wissenschaftlichen Forschung entnahm Spreng die Erkenntnis, dass das aktuelle Medien- und Politiksystem "Staatsschauspieler begünstigt" und dagegen nur ein bewusst angelegtes Kontrastprogramm eine Chance habe - "und damit sind wir bei Edmund Stoiber". Sprengs Wahlkampfkonzept: Die Persönlichkeit Stoibers soll sich so durchsetzen, wie sie ist. Sie könne "nicht neu erfunden werden".

Der gelernte Boulevard-Journalist Spreng weiß das auch in prägnante Bilder zu fassen: "Edmund Stoiber ist die Absage an die Amerikanisierung des Wahlkampfes." Sollte es also gelingen, Stoiber gegen einen inszenierten Schröder durchzusetzen, wäre dies auch "ein Gewinn für die politische Kultur". Indirekt räumte Spreng ein, dass Stoiber "professionelle Schwächen an Telegenität" habe, doch er blieb dabei: "Edmund Stoiber gibt es nur unverfälscht und echt."

Daran wiederum will Machnig nicht glauben. Aus seiner Sicht hat Stoiber "alle Kreidevorräte in Deutschland aufgekauft", um täglich soviel davon fressen zu können, dass die typischen Stoiber-Positionen nicht erkennbar werden. Zudem gehe Stoiber den wichtigen Themen aus dem Weg und habe immer noch kein Programm vorgelegt.

In diesen Phasen wirkte Machnig wie einer, der gerne zubeißen will, aber sein Wunschobjekt nicht zu fassen bekommt. Doch er zeigte sich sicher, dass Stoiber auch die "rechten" Themen wieder "ziehen" werde, wenn der Wahlkampf erst einmal länger dauere und die Umfragen wieder kippten. Dann würde sich das erste Plakat der SPD nach Stoibers Nominierung bewahrheiten, auf dem Stoiber nicht zu sehen war, da er "zu weit rechts" stehe.

Anzeigen wie diese hingegen sieht Spreng als "Kopfgeburt" an, die zeigten, wie weit sich Wahlkampfmacher von Wirklichkeit und Menschen entfernen könnten. Genau dieses Motiv sei an den "Köpfen und Herzen vorbei" gegangen. Und auch Machnigs Plakat-Aktion "Die Mitte ist rot" sei ein "klassischer Rohrkrepierer" gewesen. Und da das Jahr 2002 keinen "Schönwetterwahlkampf" zulasse, werde Stoiber als "ernster Mann für ernste Zeiten" dem "Showkanzler" Schröder entgegentreten.

Und was ist nun mit der Eingangsfrage? Machen Medien Kanzler? Zumindest macht das Thema neugierig. Statt der üblichen 80 Besucher bei Seminaren der Vereinigung zum Parlamentarismus, wollten nun rund 400 Zuhörer dabei sein - und natürlich zahlreiche Medienvertreter. Die Antwort fiel jedoch wie erwartet aus: Vielschichtig.

Wolfgang Donsbach, Kommunikationswissenschaftler aus Dresden, schilderte den immer größer werdenden Vorrang von Symbolen vor der Substanz, die überwältigende Rolle von "Images" und die immer kürzer werdenden "Sound Bites", Ton-Häppchen, die den Politikern zur Kommunikation zur Verfügung stehen - und dann auch noch nach Vorlieben der Journalisten ausgewählt würden. Dagegen hob Siegfried Weischenberg, Kommunikationswissenschaftler aus Hamburg, den Unterschied in der Medienwirkung hervor. Der Effekt von Medien auf Wissen, Einstellungen und Handlungen sei jeweils sehr verschieden. Eher für unwahrscheinlich hielt er, dass die TV-Berichte unmittelbar auf die Stelle wirkten, an der die Wähler ihr Kreuzchen machten: "Vom Kopf zum Arm ist es ein weiter Weg."

Und was meinen die beiden Macher? Auf Nachfrage waren sie sich ausnahmsweise einig: Nein - Medien machen keine Kanzler. Sie gehörten aber zum "Umfeld", das neben Person, Programm und Präsentation sehr wichtig sei. So lautete denn auch das wissenschaftliche Fazit des Parlamentarismusforschers Heinrich Oberreuter: "Wer die Medien nicht beherrscht - ob durch Charisma oder Authentizität - hat die Wahl auf jeden Fall verloren."

Gregor Mayntz

(RPO Archiv)
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