Regierungen beraten mit Opposition Diplomatische Offensive von Indien

Neu Delhi/Islamabad (rpo). Vor möglichen Angriffen gegen extremistische Moslems auf pakistanischem Gebiet startet Indien eine diplomatische Offensive. Indiens Regierungschef Atal Behari Vajpayee schloss aber militärische Gewalt nicht aus.

"Wir werden auf kein Mittel verzichten, obwohl wir unser Äußerstes tun werden, um einen Krieg mit Pakistan zu vermeiden", sagte Vajpayee. Das Angebot von Pakistans Militärmachthaber Pervez Musharraf zu Gesprächen am Rand des Südasiengipfels SAARC in Nepal lehnte Vajpayee am Sonntag ab. Die Gefechte an der Grenze in Kaschmir gingen weiter. Indien verlangt von Pakistan, extremistische Moslemgruppen zu zerschlagen, die für den Terrorangriff auf das indische Parlament am 13. Dezember verantwortlich sein sollen.

Indien wird Pakistan eine Liste mit Namen von mutmaßlichen Terroristen vorlegen und deren Auslieferung verlangen, kündigte Außenminister Jaswant Singh an. Angesichts der Kriegsgefahr zwischen den Atommächten bemühten sich US-Präsident George Bush, sein russischer Amtskollege Wladimir Putin und Frankreichs Präsident Jacques Chirac um eine Entschärfung der Lage. Bush telefonierte 20 Minuten lang mit Musharraf. Putin und Chirac forderten, die von Pakistan aus operierenden islamischen Terroristen müssten ausgeschaltet werden.

Indien will Delegationen mit Regierungs- und Oppositionspolitikern in verschiedene Länder schicken, um den Druck auf Pakistan zu erhöhen. Die diplomatische Offensive soll in der zweiten Januarwoche starten. Beobachter rechnen deshalb zunächst nicht mit einem Angriff Indiens gegen mutmaßliche Stützpunkte von Moslemextremisten auf pakistanischem Gebiet, der einen Krieg zwischen den Nachbarländern auslösen würde. Der pakistanische Außenminister Abdul Sattar warnte für einen solchen Fall vor einer Kettenreaktion. Vajpayee bekam bei einem All-Parteien-Treffen am Sonntag, an dem auch Oppositionsführerin Sonia Gandhi teilnahm, Rückhalt für die diplomatische Offensive.

Manmohan Singh von der Kongresspartei mahnte, Krieg dürfe nur die "letzte Option" sein. Ram Gopal Yadav von der Samajwadi-Partei forderte, Indien solle mehr Beweise für die Schuld der Moslemgruppen Lashkar-e-Toiba und Jaish-e-Mohammed vorlegen. Vajpayee schloss bei dem Treffen aus, dass er oder Außenminister Singh in den nächsten Tagen in Nepal Gespräche mit Musharraf oder Sattar führen würden.

Sattar ausweichend bei Verzicht auf atomaren Erstschlag

Sattar sagte am Sonntagabend, die Befürchtungen über die indischen Truppenkonzentrationen an der Grenze würden stündlich wachsen. Mehr als sechs indische Divisionen seien aufmarschiert, sagte Sattar dem amerikanischen Nachrichtensender CNN. Auf die Frage, ob Pakistan wie Indien öffentlich den Verzicht auf einen atomaren Erstschlag ausspreche, blieb Sattar ausweichend. "Wir werden nicht zuerst Gewalt anwenden", erklärte er. Er verneinte, dass Pakistan Soldaten in größerem Stil von der Grenze nach Afghanistan ins östliche Krisengebiet verlege.

Sattar forderte von Indien handfeste Beweise für die Beteiligung pakistanischer Terrorgruppen an den Anschlag auf das indische Parlament. Wenn diese Beweise vorlägen, würden die Angeklagten vor Gericht gebracht. An der Grenze in Kaschmir haben beide Länder inzwischen massiv Truppen zusammengezogen. Am Wochenende kam es zu weiteren Gefechten, bei denen nach indischer Darstellung vier pakistanische Soldaten getötet und mehrere Häuser im indischen Teil Kaschmirs in Brand geschossen wurden.

Wegen des Truppenaufmarschs mussten auf indischer Seite 20.000 Menschen ihre Dörfer verlassen. Im indischen Bundesstaat Rajasthan kamen 15 Soldaten um, als sie an der Grenze Panzerminen verlegten und ein Sprengsatz explodierte. Nach Medienberichten soll beim Beginn eines Krieges der Taj Mahal, ein moslemisches Bauwerk und die wichtigste Touristenattraktion Indiens, getarnt werden. In Amritsar im indischen Bundesstaat Punjab begannen Übungen zum Zivilschutz und Sirenentests.

(RPO Archiv)
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