Migration Ab Mittwoch gilt der Familiennachzug wieder

Berlin · Pro Monat dürfen künftig 1000 enge Angehörige von subsidiär Schutzberechtigten nach Deutschland kommen. Die Regelungen sind umstritten, FDP-Chef Lindner kritisierte sie als unvernünftig - und stieß selbst in der eigenen Partei auf Widerspruch.

 Eine syrische Familie sitzt vor einem Asylwohnheim der Zentralen Ausländerbehörde des Landes Brandenburg (Archivfoto).

Eine syrische Familie sitzt vor einem Asylwohnheim der Zentralen Ausländerbehörde des Landes Brandenburg (Archivfoto).

Foto: dpa/Patrick Pleul

Diese Liste ist ihre ganze Hoffnung. Sie entscheidet darüber, ob sie in absehbarer Zeit wieder vereint sein werden. Aber die Plätze sind begrenzt, und damit die Chancen vieler Asylsuchender mit eingeschränktem Schutzstatus und ihrer Angehörigen, nach Flucht und teils jahrelanger Trennung in Deutschland zusammenzukommen.

Ab diesem Mittwoch wird der 2016 im Zuge der hohen Zahl neuankommender Flüchtlinge ausgesetzte Familiennachzug wieder ermöglicht. Der Streit darüber zwischen CDU, CSU und SPD war einer der größten Konflikte während der Koalitionsverhandlungen. Schließlich einigten sie sich darauf, dass 1000 Menschen pro Monat kommen dürfen.

34.000 Angehörige warten nach Regierungsangaben derzeit auf eine solche Möglichkeit. Das heißt, schon jetzt gibt es Anwärter für die Kontingentregelungen für drei Jahre. Wie viele es tatsächlich sind, ist jedoch unklar. Denn innerhalb dieser Zeit werden zum einen manche Flüchtlinge wieder zurückkehren müssen oder es entfallen Grundlagen für den Nachzug – etwa, weil jetzt noch minderjährige Kinder dann volljährig sind.

Zudem ist die Zahl 1000 höchst umstritten. Die einen halten sie für viel zu niedrig, andere lehnen sie ab. FDP-Chef Christian Lindner hält die Zahl für willkürlich gegriffen. „Warum überhaupt nur 1000, nicht 500 oder 2000“, sagte Lindner. „Das kann man niemandem erklären.“ Die neuen Regelungen kritisierte er als „völlig unvernünftig“. Warum sollten Flüchtlinge ohne dauerhaften Aufenthaltsstatus in Deutschland noch die Familie nachholen können, fragte Lindner am Montag im Sender n-tv.

Denn sogenannte subsidiär geschützte Personen bekommen in der Regel keinen dauerhaften Aufenthaltsstatus. Die Aufenthaltserlaubnis wird für ein Jahr erteilt und kann gegebenenfalls um zwei Jahre verlängert werden. Nur unter bestimmten Voraussetzungen kann sie nach fünf Jahren in eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung münden. Nachziehen dürfen Ehepartner, wenn die Ehe vor der Flucht geschlossen wurde, und Minderjährige oder die Eltern von Minderjährigen, wenn diese allein nach Deutschland kamen. Zuletzt hatten vor allem Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien und dem Irak subsidiären Schutz erhalten.

Die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Bundestag, Gyde Jensen (FDP), ist jedoch anderer Auffassung als ihr Parteivorsitzender Lindner. „Jeder Mensch hat das Recht auf familiäre Gemeinschaft“, sagte sie unserer Redaktion. „Menschen müssen bei der Integration in unsere Gesellschaft bestmöglich unterstützt werden, Familienzusammenführung ist dazu ein Mittel“, fügte sie hinzu.

Die aktuelle Regelung lehnt Jensen wegen „starrer Obergrenzen“ jedoch auch ab. Damit würden „zwangsläufig diejenigen bestraft, die sich integrieren wollen und die ihren Lebensunterhalt bereits bestreiten können“, sagte Jensen.

Besonders umstritten ist zudem, dass von Januar an die Zahlen von Monat zu Monat berechnet werden. Das heißt: Wenn in einem Monat etwa aus bürokratischen Gründen nicht alle 1000 Plätze vergeben werden, „verfallen“ die unbesetzten Möglichkeiten. Sie werden nicht zu den im nächsten Monat wiederum zur Verfügung stehenden 1000 Plätzen addiert. So ist es möglich, dass im gesamten Jahr 2019 weniger als 12.000 Angehörige von Flüchtlingen nachziehen werden. Nur für die Anlaufphase der verbleibenden fünf Monate im laufenden Jahr wird die pauschale Zahl von 5000 Plätzen akzeptiert.

Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Bärbel Kofler (SPD), begrüßte diese Lösung für den Anfang. „Ab dem Jahr 2019 ist damit zu rechnen, dass die Kontingente monatlich ausgelastet sein werden“, sagte Kofler. Auch der menschenrechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Michael Brand (CDU), verteidigte die Regelungen. „Ich empfehle sehr, erst einmal die neue Regelung wirken zu lassen und sie dann zu beurteilen“, sagte er.

Doch das Verfahren wirkt höchst kompliziert und bürokratisch: Die Anträge müssen bei den zuständigen Botschaften oder Generalkonsulaten in den jeweiligen Ländern gestellt werden. In Amman, Beirut und Erbil ist die Internationale Organisation für Migration (IOM) die Anlaufstelle. Die Auslandsvertretungen leiten die Anträge nach Deutschland weiter, wo sie von den Ausländerbehörden geprüft werden.

Die Entscheidung darüber, wer kommen darf und wer nicht, trifft aber das Bundesverwaltungsamt (BVA), das dann wiederum den Auslandsvertretung grünes Licht für die Erteilung eines Visums gibt – oder nicht. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes wird man dabei chronologisch je nach Antragsdatum vorgehen.

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