Kolumne Berliner Republik Das Sommerloch gibt es noch

Berlin · Grad wäre fast die Regierung auseinander gefallen – nun ist in der Politik Sommerpause. Selten hat Berlin so große Sehnsucht nach Ruhe im Sommerloch verspürt.

 Eva Quadbeck, Mitglied der RP-Chefredaktion und Leiterin des Hauptstadtbüros.

Eva Quadbeck, Mitglied der RP-Chefredaktion und Leiterin des Hauptstadtbüros.

Foto: grafik/Quadbeck

Vier Wochen lang tanzte die Regierung am Abgrund – jetzt ist Ruhe. Sie ist nicht etwa herabgestürzt. Nein, wie wir alle wissen, gab es nach dem Drama Shakespeare’schen Ausmaßes eine pragmatische Lösung, die man auch in einer einzigen nüchternen Verhandlungsrunde hätte erzielen können. Sei’s drum. Nun sind nach dieser Vorstellung auf der Berliner Bühne alle Protagonisten so erschöpft, dass uns ein echtes Sommerloch erwartet.

Na gut, Seehofer macht noch ein bisschen weiter. Schließlich ist in Bayern Wahlkampf. Alle anderen Matadoren sind aber so ermattet, dass sie auch auf die Provokationen des Innenministers nicht mehr reagieren mögen. So hat Seehofers geschmacklose Bemerkung über die Abschiebung von 69 Flüchtlingen an seinem 69. Geburtstag zwar zu viel Empörung in den sozialen Netzwerken geführt, im politischen Berlin blieb die große Welle aus. Nein, man habe keine Neigung, noch etwas zu Seehofer zu sagen, hieß es. Früher hätte so eine Bemerkung über Wochen das Sommerloch gefüllt.

Der Wunsch, in der Zeit der Parlamentspause tatsächlich auch bei den politischen Botschaften auf Sendepause zu stellen, war selten so spürbar wie in diesem Jahr. Der Bedarf an Eskalation ist allseits gedeckt. Nicht nur die Union ist von ihrem Streit erschöpft und ernüchtert. Die SPD und manche Oppositionspartei sind es auch. Gleiches gilt übrigens für die Berichterstatter im Regierungsviertel.

Viele Politiker schildern ihren Gemütszustand in diesen Tagen wie den von Autofahrern, die nur haarscharf an einem tödlichen Unfall vorbeigeschrammt sind. Da weiß man: Das nächste Mal ist man vorsichtiger. Ob die Erkenntnis, dass weniger politische Erregung mehr konstruktive Ergebnisse bringen kann, sich bis zur bayerischen Landtagswahl durchhalten lässt, ist dann doch zu bezweifeln.

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