Ausreisepflichtige Ausländer 4000 Afghanen ohne Duldung in Deutschland

Berlin · Auf der Liste der Herkunftsstaaten mit den meisten Ausreisepflichtigen steht Afghanistan auf Platz eins. Auch der Balkan steht weit oben auf der Liste.

Abgelehnte Asylbewerber steigen am Baden-Airport in Rheinmünster in ein Flugzeug, das für eine Sammelabschiebung gechartert wurde. (Archiv)

Foto: dpa/Daniel Maurer

Unter welchem Druck die Behörden stehen, immer wieder Flüge nach Afghanistan für Massenabschiebungen zu organisieren, macht ein internes Regierungspapier deutlich: Unter den Herkunftsstaaten mit den meisten Ausreisepflichtigen steht das Land mit 15.754 Personen an erster Stelle. Selbst wenn die 11.660 Personen abgezogen werden, für die die Behörden eine vorübergehende Duldung ausgesprochen haben, bleiben immer noch mehr als 4000 Afghanen übrig, die Deutschland umgehend verlassen müssten.

Die unserer Redaktion vorliegende Liste von Anfang Juli wirft ein ganz anderes Licht auf die Größenordnungen in der aktuellen Debatte über Zurückweisungen an den Grenzen und die Forderung, kooperationsunwilligen afrikanischen Staaten die Entwicklungshilfe zu kürzen. Unter den ersten zehn taucht mit Nigeria nämlich nur ein afrikanisches Land auf: 2071 Nigerianer müssen ausreisen und haben keine Duldung.

Doch vor ihnen führt die Liste 3104 Serben, 2998 Iraker, 2985 Albaner und 2093 Russen. Hinzu kommen 1762 Personen aus Pakistan, 1716 aus dem Kosovo und 1616 aus Mazedonien – zu einem großen Teil also aus Ländern, die in die Europäische Union streben, die zumindest aber als sichere Herkunftsregionen qualifiziert sind. Vor dem Hintergrund dieser allesamt vierstelligen Zahlen mutet die leidenschaftliche Debatte um möglicherweise fünf Zurückweisungen an den Grenzen täglich eher seltsam an.

Für „nicht zufriedenstellend“ hält Unions-Innenexperte Mathias Middelberg den Umstand, dass sich immer noch so viele ausreisepflichtige Ausländer vom Westbalkan hier aufhalten, obwohl deren Abschiebung möglich wäre. „Die Bundesländer müssen hier noch konsequenter zur Tat schreiten“, sagt der CDU-Politiker. Zugleich spricht er eine Warnung aus: „Auch den Westbalkan-Staaten muss klar sein, dass es ihre EU-Beitrittsperspektiven nicht erhöht, wenn nach wie vor Tausende ihrer Staatsangehörigen pro Jahr in Deutschland Asyl beantragen und ihrer Ausreisepflicht nicht Folge leisten.“

SPD-Innenexperte Burkhard Lischka sieht neben den eigentlich zuständigen Ländern auch den Bund verstärkt in der Pflicht: „Wenn die Zahlen zutreffen, zeigt sich einmal mehr, wie berechtigt die seit Langem von der SPD erhobene Forderung ist, dass sich der Bund bei der Abschiebung von Gefährdern wesentlich stärker engagieren muss.“

Migrationsexperten lesen aus weiteren Zahlen aber auch eine positive Entwicklung heraus. 10.760 Abschiebungen im Jahr 2017 zeigten, dass sich die Westbalkan-Staaten kooperativ verhielten, lautet die Einschätzung Middelbergs. Auch die weiter zurückgehende Zahl der Asylanträge von Menschen aus dieser Region bewiesen, dass die Einstufung dieser Länder als sichere Herkunftsstaaten und die damit erreichte Verfahrensbeschleunigung richtig gewesen seien. „Das müssen wir jetzt zügig auch mit den Maghreb-Staaten und Georgien hinbekommen, um die fast ausschließlich unberechtigte Migration von dort weiter einzudämmen“, lautet die Forderung von Middelberg.

Und er bedauert die Blockade eines entsprechenden Gesetzes im vergangenen Jahr durch die Grünen im Bundesrat. Sonst wäre Deutschland auch in Bezug auf Algerien, Marokko und Tunesien schon viel weiter. Unter den afrikanischen Herkunftsstaaten mit den meisten ausreisepflichtigen Personen nimmt Marokko den vierten Platz ein. Die Regierungsliste führt 3957 ausreisepflichtige Marokkaner auf, von denen 1236 keine Duldung haben.

In der Debatte um 69 abgeschobene Afghanen am 69. Geburtstag von Bundesinnenminister Horst Seehofer hat der CDU-Politiker Armin Schuster den Minister inhaltlich verteidigt. „Wir schieben nach Afghanistan immer noch nur Gefährder und Straftäter ab. Das ist politischer Konsens in der Bundesregierung und auch mit fast allen Ländern, unabhängig davon, wer dort regiert“, sagte Schuster unserer Redaktion. „Deshalb sind 69 Abschiebungen nach Afghanistan nichts anderes als der erfolgreiche Vollzug unserer politischen Beschlüsse.“

Der aus Hamburg abgeschobene Afghane, der sich nach der Ankunft in Kabul das Leben nahm, sei einer jener Fälle mit großem Vorstrafenregister und etlichen Gewalttaten gewesen, unterstrich Schuster. „Sich über nicht abgeschobene mutmaßliche Mörder und zugleich über den aktuellen Fall einer erfolgreichen Abschiebung zu echauffieren, zeigt das ganze Dilemma einer moralisch völlig überladenen politischen Debatte“, kritisierte Schuster. Ausreisepflichtige Gefährder und Straftäter abzuschieben, sei Ziel und Pflicht der Regierungen in Bund und Ländern, „und das ist in weiteren 69 Fällen gelungen“.