Kanzler Schröder äußert sich nicht Lafontaine "führt die Schlachten von gestern"

Berlin (rpo). Der ehemalige SPD-Parteichef Oskar Lafontaine gerät in seiner Partei immer mehr unter Beschuss. Mehrere SPD-Politiker legen ihm den Parteiaustritt nahe. SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Benneter sieht zwar noch keinen Handlungsbedarf, sagt jedoch, es gebe "klare Grenzen" für die Mitgliedschaft. Für SPD-Chef Franz Müntefering sind die Äußerungen "kleinkarierte, personalisierte Eitelkeit".

Die Störmanöver des Oskar Lafontaine
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Einige Sozialdemokraten drohen offen mit Partei-Ausschluss, sollte der Saarländer nicht freiwillig gehen. Unterdessen hat der Sprecher der parlamentarischen Linken, Michael Müller, Lafontaines Aussage als Debatte "von gestern" bezeichnet. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Hans-Peter Kemper sagte der in Berlin erscheinenden Tageszeitung "Die Welt": "Verabschiedet sich Lafontaine nicht von allein, muss er aus der SPD ausgeschlossen werden." SPD-Fraktionsvize Gernot Erler pflichtete ihm in dem Blatt bei, die Partei würde Lafontaine keine Träne nachweinen, wenn er in die Linkspartei einträte.

Die SPD richtet indes die eindringliche Mahnung an Ex-Parteichef Oskar Lafontaine, seine Angriffe gegen Parteiführung und Regierungsspitze zu unterlassen. SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Benneter sagte am Montag im ARD-"Morgenmagazin", in der SPD gebe es innerparteiliche Demokratie. Es gebe aber auch "klare Grenzen" für die Mitgliedschaft in der Partei. "Wer sich für gegnerische Organisationen stark macht, diese unterstützt, der muss wissen, dass er dies nicht innerhalb der SPD tun kann", unterstrich Benneter.

Bundeskanzler Gerhard Schröder will sich nicht zu der neuerlichen Rücktrittsforderung des früheren SPD-Vorsitzenden Oskar Lafontaine äußern. "Nicht jede Äußerung im öffentlichen Raum ist es wert, dass sie vom Bundeskanzler persönlich kommentiert wird", sagte der stellvertretende Regierungssprecher Hans Langguth am Montag in Berlin.

Müntefering: "Kleinkarierte, personalisierte Eitelkeit"

SPD-Chef Franz Müntefering gibt dem ehemaligen Parteivorsitzenden Oskar Lafontaine keine Chance in der SPD. Mit seinen intellektuellen Ansprüchen habe Lafontaine keine Resonanz mehr in der Partei, sagte Müntefering am Montag im "WDR 2 Morgenmagazin".

"Das, was er erzählt zur Politik, ist kleinkarierte, personalisierte Eitelkeit. Und da ist nichts drin, was die Politik in Deutschland nach vorne führen könnte", sagte Müntefering. Der SPD-Chef sieht für Lafontaine keine Chance, auf Parteitagen noch jemanden für sich zu gewinnen. Der Saarländer wolle eine Politik von gestern und sei "einer aus dem vergangenen Jahrhundert".

Müntefering lehnte es dennoch ab, Lafontaine aus der Partei auszuschließen. "Er ist für uns leichter zu handhaben, wenn er innerhalb der Partei ist", sagte Müntefering. Zugleich zeigte er sich zur Auseinandersetzung mit seinem Vorgänger bereit: "Lafontaine hat die Kampfansage ausgesprochen, die soll er jetzt haben."

Als "Sprüche" wies Müntefering darüber hinaus den Vorwurf Lafontaines zurück, Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) weiche vom Kurs der SPD unter Willy Brandt ab. "Willy Brandt würde sich im Grabe umdrehen, wenn er das hört. Gerade Willy Brandt war einer, der gewusst hat, dass jede Zeit ihre eigenen Antworten braucht", sagte Müntefering. Brandt sei "nicht weg gelaufen als es für die Partei schwierig wurde".

Lafontaine erwägt Linksbündnis zu unterstützen

Lafontaine hatte in einem "Spiegel"-Interview die Unterstützung einer neuen linken Gruppierung angekündigt, falls sich die Sozialdemokraten nicht innerhalb des kommenden Jahres zu einem Kurs- und Kanzlerwechsel entschließen. Erler warf Lafontaine in diesem Zusammenhang "Erpressung" vor.

Der Sprecher des rechten Seeheimer Kreises in der SPD-Fraktion, Klaas Hübner, betonte in der "Welt", er "rate Lafontaine, sich zu überlegen, ob er in der Partei noch aufgehoben ist." Der SPD-Bundestagsabgeordnete Hubertus Heil vom reformorientierten "Netzwerk" ergänzte in der Zeitung, wenn es Lafontaine mit seinen Äußerungen darauf anlege, "rausgeworfen zu werden, sage ich nur: Er soll selber gehen".

Auch der Regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit (SPD), forderte Lafontaine zum Parteiaustritt auf. Nach dessen unsolidarischer Kritik "sollte er die Konsequenzen ziehen und aus der SPD austreten", sagte Wowereit dem in Berlin erscheinenden "Tagesspiegel".

'Lafontaine führt Debatte von gestern'

Lafontaine sei "offenkundig bis heute nicht in der Lage, seinen damaligen Rücktritt zu verarbeiten", sagte der Sprecher der Parlamentarischen Linken in der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Müller, am Montag. "Man hat den Eindruck, er führt immer die Schlachten von gestern", fügte der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende hinzu.

Überlegungen zu einem möglichen Parteiausschlussverfahren gegen Lafontaine halte er aber für "zu aufgebauscht", betonte Müller. Lafontaine solle aber "endlich mal sagen, was er eigentlich will". Der Ex-Parteichef könnte nicht irgendwelche "obskuren oder weniger obskuren linken Gruppen mit seinen Strategien nähren". Lafontaine müsse sich auch sagen lassen, dass "jede Splitterung und Spaltung zu Lasten einer Handlungsfähigkeit und Gestaltungsfähigkeit geht".

SPD-Fraktionsvize Gernot Erler sagte, der ehemalige Parteichef bewege "sich und die Wahlalternative ins Abseits". Er instrumentalisiere "das Linksbündnis für seinen persönlichen Rachefeldzug" gegen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), erschöpfe sich in "populistischer Kritik" und sage nichts zu Inhalten. "Außerdem sind seine Äußerungen vom Stil her geradezu abstoßend", fügte Erler hinzu.

"Viel persönliche Verbitterung"

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Hans-Peter Bartels sagte, bei Lafontaine stecke "viel persönliche Verbitterung dahinter". Er warnte, wer die Union an die Macht bringen wolle, müsse "die Linke spalten wie Lafontaine".

Der Mainzer Parteienforscher Jürgen Falter schätzt das Potenzial einer neuen Linkspartei mit Lafontaine als Spitzenkandidat auf "15 bis 20 Prozent". Sollte Lafontaine seine Drohung wahr machen und für die neue Partei gegen Schröder antreten, "besteht für die SPD Anlass zu großer Sorge", sagte Falter. Sowohl PDS als auch die Sozialdemokraten wären bei den nächsten Wahlen die Verlierer, glaubt der Parteienforscher. "Die SPD würde es allerdings deutlich schlimmer treffen", sagte Falter.

(afp)
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