SPD-Parteitag Gabriel krank, Müntefering im Abseits

Berlin/Dresden (RP). Das offene Visier ist in der Politik nicht die bevorzugte Kampfeshaltung. Eher der versteckte Seitenhieb. Das erlebt einen Tag vor dem SPD-Bundesparteitag vor allem der scheidende Parteivorsitzende Franz Müntefering. Von der Parteibasis vor einem Jahr als "Retter” herbeigesehnt, wird der 69-Jährige heute gemieden.

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Foto: ddp

Der morgen in Dresden beginnende SPD-Bundesparteitag dürfte nicht nur eine inhaltliche Neuausrichtung (Korrekturen an der Agenda 2010) der SPD beschließen. Es wird auch eine Abrechnung mit dem Altmeister geben. Indirekt jedenfalls. Müntefering zuvorderst wird die desaströse Wahlniederlage bei der Bundestagswahl angelastet.

Sein autoritärer Führungsstil stößt den Genossen auf. "Systematische Unterbindung der demokratischen Meinungs- und Willensbildungsprozesse”, beklagt etwa der SPD-Bezirk Oberbayern in einem Beschlussantrag. "Die alten Köpfe können nicht glaubwürdig für einen Neuanfang stehen”, schreiben die hessischen Genossen, assistiert von den Jungsozialisten. Der Berliner Landesverband, bei der Bundestagswahl übrigens mit besonders schwachem Ergebnis, forderte schon einen Tag nach der Wahl Münteferings Kopf.

Vergessen sind offenbar die Erfolge, die Kärrnerarbeit, die der oberste Parteisoldat Müntefering (seit 43 Jahren Mitglied) für die Sozialdemokratie erbrachte. Selbst der designierte Vorsitzende Sigmar Gabriel, der gestern erkrankte, aber bis zum Parteitag wieder fit sein will, kritisierte seinen Vorgänger.

In einer E-Mail an die Basis monierte Gabriel, dass die bisherige Parteiführung geführt, aber nicht "gesammelt” habe. Am Wochenende legte der 50-jährige Ex-Umweltminister nach. Die Wähler wüssten nicht, wofür die SPD stehe, bekundete Gabriel. Ein offener Affront gegen Müntefering. Dabei hat Gabriel seinen Karrieresprung dem zweifachen Parteichef zu verdanken.

Es war Müntefering, der 2005 gegen parteiinterne Widerstände (unter anderem von der künftigen Generalsekretärin Andrea Nahles) Gabriel als Umweltminister der großen Koalition durchsetzte und ihm so die politische "Resozialisierung” ermöglichte. Bei der Konstituierung des Bundestages war von Dankbarkeit nichts zu sehen. Müntefering saß alleine am Rand der Fraktion. Minutenlang redete kein Genosse mit ihm.

Altkanzler Gerhard Schröder wollte den loyalen Sauerländer einst als Freund haben. Jetzt tun selbst SPD-Neulinge im Bundestag so, als würden sie Müntefering nicht kennen. Auch sein letztes politisches Ziel, den Vorsitz der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung, gönnen ihm einige nicht. Ganz Parteisoldat, wird sich "Münte” bei seiner Abschiedsrede morgen nichts anmerken lassen.

(RP/brö)
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