Merkel bei Gedenkfeiern in Paris Frankreichs Geste der Versöhnung

Paris (RP). An diesem Mittwoch besucht Bundeskanzlerin Angela Merkel Paris. 91 Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wird sie als erste deutsche Regierungschefin einen Kranz am Grab des Unbekannten Soldaten niederlegen. Hinter der großen Symbolik stecken handfeste Interessen in Paris.

2008: Sarkozy und Bruni bei Gedenkfeier zu Erstem Weltkrieg
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Die Verbundenheit zwischen Deutschland und Frankreich soll an diesem Mittwoch mit einer großen Versöhnungsgeste demonstriert werden: Bundeskanzlerin Angela Merkel nimmt als erste deutsche Regierungschefin in Paris an den Gedenkfeiern zum Ende des Ersten Weltkriegs 1918 teil. Mit Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy wird Merkel vor dem Triumphbogen stehen. Dort brennt über dem Grab des Unbekannten Soldaten die Ewige Flamme zum Gedenken an die französischen Kriegstoten. Ein deutscher Regierungschef vor diesem Grab — das ist eine neue Auszeichnung. Zum 11. November 1998 war zwar bereits Helmut Kohl eingeladen, wurde aber wenige Wochen zuvor abgewählt. Sein Nachfolger Gerhard Schröder sagte die Teilnahme ab und gab als Grund Terminschwierigkeiten an.

Der 11. November ist in Frankreich dem Gedenken an den Waffenstillstand 1918 und damit an den "Großen Krieg" gewidmet. Nachdem 2008 der letzte Veteran des Ersten Weltkriegs verstarb, will Sarkozy den Tag nun in das Zeichen der Versöhnung stellen. Charles de Gaulle und Konrad Adenauer hatten sie 1963 mit dem Elysée-Vertrag besiegelt, François Mitterrand und Helmut Kohl 1984 mit ihrem Händedruck über den Gräbern von Verdun bekräftigt. Merkels Besuch heute ist also erneut ein Akt von großer Symbolik.

Sarkozy hofiert Merkel mit Kalkül

Aus Sicht Sarkozys ist die Begeisterung für Deutschland nur folgerichtig. Frankreichs Präsident hat sich auf Merkel und die Deutschen zurückbesonnen, nachdem sein anfänglicher Schmusekurs mit den USA nach dem Wechsel von George Bush zu Barack Obama gebremst wurde und er merkte, dass auch in Großbritannien nicht viel zu holen sein wird. Für seine "Freundin Angela" ließ Sarkozy am Montagabend im Herzen von Paris sogar ein großes Fest zu Ehren des Mauerfalls veranstalten, das in die deutsche Hauptstadt übertragen wurde. Dort, vor dem Brandenburger Tor, rief Sarkozy euphorisch auf Deutsch: "Wir sind Berlin!" Die EU-kritische Haltung des mutmaßlichen künftigen britischen Tory-Premiers David Cameron dagegen durfte Frankreichs Europa-Staatssekretär Pierre Lellouche gerade als "erbärmlich" bezeichnen.

Wenn Sarkozy in Europa etwas erreichen will, braucht er Merkel. Wie Balsam für seine Seele war da bereits, dass die neue schwarz-gelbe Koalition in Berlin Abschied von der strengen Haushaltsdisziplin nimmt. Lange Zeit hatte sich Sarkozy von der Bundesregierung und der EU-Kommission vorhalten lassen müssen, dass er das öffentliche Defizit in gefährliche Höhen trieb. "Die Entscheidung, die du getroffen hast, Wachstum durch Steuersenkungen zu erzielen, ist für Europa eine sehr gute Sache", lobte denn Sarkozy auch überschwänglich: "Deutschland und Frankreich werden dadurch noch enger zusammenarbeiten können."

Heiße Umarmung

Am besten mit einem gemeinsamen deutsch-französischen Minister, wirbt Europa-Staatssekretär Lellouche. Bereits von Januar an solle dieser abwechselnd am jeweiligen Kabinettstisch sitzen. Diplomatische Versuche in Berlin, sich dieser Umarmung zu entwinden — Verweise auf mögliche Sprachprobleme oder auf die obligatorische Vereidigung durch den Bundespräsidenten — überhört man in Paris geflissentlich.

In Berlin mag man die neuen Liebesschwüre aus Paris nicht so recht genießen. Für die Bundesregierung birgt die Idee nämlich das Risiko, dass Heißsporn Sarkozy künftig seine Einfälle als mit Berlin abgesprochen verkauft. Auch Merkel betonte bei ihrem Antrittsbesuch zur zweiten Amtszeit, dass Berlin und Paris Themen künftig "gemeinsam noch intensiver besprechen, als wir das bisher getan haben".

Zwei Wermutstropfen muss Sarkozy allerdings schlucken. Nachdem die schwarz-gelbe Koalition eine Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke, aber keinen Neubau beschlossen hat, wird er Deutschland keine französische Nukleartechnik andienen können. Und mit seiner strikten Ablehnung eines Beitritts der Türkei zur EU steht er künftig allein. Aus Rücksicht auf die FDP lässt die neue Bundesregierung die Türen für Ankara wieder offen.

(RP)
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