Die FDP erhöht den Druck auf die Union Es knirscht vor allem beim Gesundheitsfonds

Bonn/Berlin (RPO). In den Koalitionsverhandlungen zwischen Union und FDP ist viel taktisches Getöse zu vernehmen. Es gehört zum politischen Einmaleins, mit Maximalforderungen ins Gefecht zu ziehen. Aber beim Gesundheitfonds scheint es der FDP ernst zu sein. Die Krankenversicherung befindet sich aus Sicht der Liberalen in dramatischer Finanznot.

Der Gesundheitsfonds - was ist das eigentlich?
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Foto: ddp

Der Gesundheitsfonds sei "schon im Startjahr pleite", sagte FDP-Gesundheitsexperte Daniel Bahr am Dienstag und verlangte tiefgreifende Reformen. Bahr sagte im ZDF-Morgenmagazin, die Zahlen seien dramatisch. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt habe versucht, diese Zahlen zu verdecken. Bahr fordert die Union daher auf, den Gesundheitsfonds vorbehaltlos auf den Prüfstand zu stellen.

Die Finanzlage im Gesundheitswesen ist tatsächlich beunruhigend: Wegen der Rezession fehlen dem Fonds nach Eingeständnis der Regierung in diesem Jahr Beitragseinnahmen bis zu 2,9 Milliarden Euro. Diese werden über ein Darlehen gedeckt. Für 2010 rechnen die Krankenkassen vor allem wegen steigender Ausgaben mit einem Fonds-Defizit von sieben bis neun Milliarden Euro. Sie haben für 2010 flächendeckende Zusatzbeiträge vorhergesagt.

Einmal Systemwechsel, bitte

Das Gesundheitsministerium hält die Befürchtung zum Defizit für übertrieben und verweist auf einen wachsenden Steuerzuschuss und hohe Rücklagen der Kassen. 2010 sollen insgesamt 11,8 Milliarden Euro aus der Staatskasse an die Krankenversicherung fließen. Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagte im Deutschlandfunk, sieben bis neun Milliarden Euro Defizit seien zu hoch gegriffen.

Für die FDP ist die Sache längst entschieden. Sie will den Gesundheitsfonds komplett abwickeln. Ihr Ziel: ein Systemwechsel. Wer bei dieser Finanzlage stur an dem Gesundheitsfonds festhalte, treibe die Krankenkassen in die Insolvenz, warnte Bahr. Er sei daher gespannt, was die Union in den Verhandlungen als ihre Lösung präsentiere. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte vor Beginn der Koalitionsgespräche gesagt, der Fonds solle "im Kern" unangetastet bleiben.

Bitte keine Fehler wiederholen

Doch die Formulierung "im Kern" zeigt, dass die Union Spielraum für Kompromisse sieht, so lange der Gesundheitsfonds nichts als Ganzes gekippt wird. Schließlich hatte sie ihn gerade erst in der vergangenen Legislaturperiode zusammen mit der SPD aus der Taufe gehoben und als bahnbrechende Lösung für die Problem im Gesundheitssystem gefeiert. "Wir werden über alles reden, was wir wollen und was der zukünftige Koalitionspartner will, aber der Gesundheitsfonds steht nicht zur Disposition", sagte Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU). Der Gesundheitsfonds habe sich bewährt, da er die Kassen aus den Schulden geführt und mehr Wettbewerb geschaffen habe. Der Fonds könne verbessert werden, aber er werde bleiben.

Auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) sagte: "Der Gesundheitsfonds ist gerade erst eingeführt worden. Also sollten wir ihn jetzt lassen." Es sei ein "Riesenfehler" der rot-grünen Regierung gewesen, wichtige Reformen der Vorgängerregierung "wieder einzukassieren". Rüttgers mahnte: "Gerade in der Krise sollten wir den Fehler nicht wiederholen."

Ein-Prozent-Grenze soll fallen

Fest steht: Es kommen unweigerlich höhere Kosten auf die 186 Kassen zu. Bereits absehbar ist, dass die Ärzte 2010 rund eine Milliarde Euro mehr bekommen. Die Arzneimittelkosten steigen ebenfalls rasant weiter - mit rund fünf Prozent pro Jahr trotz aller Sparbemühungen, ebenso die Krankenhauskosten. Gleichzeitig werden wegen der Krise bestenfalls stagnierende Beitragseinnahmen erwartet.

Um das fehlende Geld aufzutreiben, hat die künftige Bundesregierung auf Grundlage des bestehenden Systems mehrere Möglichkeiten: Sie kann den normalen, einheitlichen Beitragssatz von 14,9 Prozent anheben - oder mehr Steuergelder in den Gesundheitsfonds schleusen. Beides gilt als unwahrscheinlich. Die Alternative sind Zusatzbeiträge. Die Krankenkassen müssen dann das bei ihnen fehlende Geld direkt bei ihren Mitgliedern eintreiben. Bisher gibt es einen solchen Zusatzbeitrag nur in einem Sonderfall bei einer kleinen Kasse. Fortsetzung folgt.

(AP/pst)
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