Union und FDP verhandeln "Es gibt keine einfachen Koalitionsrunden"

Berlin (RPO). Ein "neuer Anfang" sollte es werden, meinte FDP-Chef Guido Westerwelle, ein "neues Kapitel in der Geschichte". Tatsächlich jedoch ging es ziemlich nüchtern zu, als die Spitzen von CDU, CSU und FDP am Montag in Berlin den Startschuss für die ersten schwarz-gelben Koalitionsverhandlungen seit 1994 gaben.

Die Koalitionsverhandlungen zwischen CDU, CSU und FDP
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Die Koalitionsverhandlungen zwischen CDU, CSU und FDP

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Neben Gemüsestäbchen, Obst, Kaffee, Tee und Wasser standen dicke Aktenordner mit dem politischen Vermächtnis der Großen Koalition auf dem Tisch. Und diese ließen nur wenig Zweifel daran, wie klein der Handlungsspielraum für die neue Regierung ist.

Kein Wunder, dass Angela Merkel, Horst Seehofer und Guido Westerwelle zum Auftakt jedes Pathos vermieden. "Wir werde diese Koalitionsgespräche in guter Partnerschaft, in großer Fairness miteinander führen", sagte die Kanzlerin, als sie kurz vor Beginn der Verhandlungen an der Seite ihrer Mitstreiter in das milde Herbstlicht vor der nordrhein-westfälischen Landesvertretung trat. Es sei klar, dass es dabei Unterschiede zwischen den Positionen gebe. Von den Wähler habe man aber den Auftrag bekommen haben, gemeinsam "vernünftige Politik zu machen".

Vernünftige Politik - das war das Stichwort. Meinungsunterschiede werde es sicherlich geben, meinte auch FDP-Chef Westerwelle ungewohnt bescheiden. "Aber das ist alles überbrückbar". CSU-Chef Seehofer verwies darauf, dass er als einziger schon 16 Jahre Koalitionserfahrung mit der FDP in Bonn und ein Jahr in München habe. Er sei sicher, dass man eine gute Regierungsgrundlage schaffen werde. Bei seinem Eintreffen hatte Seehofer noch eine ganz andere Weisheit zum Besten gegeben: "Es gibt keine einfachen Koalitionsrunden."

Auch Wulff setzt auf große Steuerreform

Dies dürfte sich spätestens in dem Moment bestätigt haben, als die 27 Unterhändler im Europasaal der Landesvertretung die Unterlagen zur Kassenlage gesichtet hatten. Ein erstes Positionspapier war schon am Wochenende bekanntgeworden. Darin war zu lesen, dass die neue Regierung bis zum Ende der Legislaturperiode 40 Milliarden Euro an Ausgaben kürzen oder durch höhere Einnahmen aufbringen muss - die von der FDP gewünschten Steuersenkungen noch gar nicht eingerechnet.

In dem Papier heißt es allerdings auch, dass der Staat dieses Jahr statt 47 Milliarden nur 40 Milliarden Euro neue Schulden aufnehmen muss. So waren es am Montag nicht allein FDP-Politiker, die Optimismus demonstrierten: "Ich bin überzeugt, dass es zu einer großen Steuerreform kommt", betonte etwa der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff. Und Seehofer sekundierte: Die Ziele Steuersenkung und Haushaltkonsolidierung schlössen sich gegenseitig nicht aus.

Spekulationen um von der Leyen

Bei ihrem ersten Treffen wollten die Partner zudem den Zeitplan und das Personaltableau für die Verhandlungen festlegen. Was auf den ersten Blick ziemlich technisch wirkt, ist auf den zweiten hochbrisant: Denn mit der Reihenfolge der Verhandlungsthemen und der Besetzung der zehn Arbeitsgruppen werden bereits wichtige Weichen gestellt.

Bemerkenswert ist zum Beispiel, dass Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg für die CSU im Bereich Wirtschaft verhandeln soll. In die Arbeitsgruppe Haushalt und Finanzen hingegen schickt die CSU den bayerischen Finanzminister Georg Fahrenschon. Die Spekulationen über einen Wechsel Guttenbergs ins Finanzministerium dürften damit leiser werden.

Für die CDU soll Kanzleramtsminister Thomas de Maiziere über die Haushaltspolitik verhandeln, für die FDP Finanzexperte Hermann Otto Solms, dem ebenfalls Ambitionen auf das Finanzministerium nachgesagt werden. In die Arbeitsgruppe Arbeit schickt die CDU Generalsekretär Ronald Pofalla, der aller Voraussicht nach Arbeitsminister werden soll.

Ein Fingerzeig dürfte auch die Entsendung von Familienministerin Ursula von der Leyen für die Arbeitsgruppe Gesundheitspolitik sein. Der Medizinerin wird schon lange ein Interesse am Gesundheitsministerium nachgesagt. Um den Bereich Familie, Integration und Kultur soll sich für die Union hingegen die bisherige Staatsministerin Maria Böhmer kümmern.

Union setzt auf schnellen Abschluss

Auch wenn Westerwelle immer wieder betont, Gründlichkeit gehe vor Schnelligkeit - die Union setzt auf einen zügigen Abschluss der Verhandlungen. Die große Koalitionsrunde soll am 8. und am 14. Oktober wieder tagen, vom 16. bis zum 18. Oktober wollen sich die Koalitionspartner dann zu einem Sitzungsmarathon treffen.

Auf Unionsseite wird nicht ausgeschlossen, dass die Gespräche dann bereits zum Abschluss kommen könnten, so dass Koalitionsvertrag und Regierung Ende Oktober stehen könnten. Ob Westerwelle dies mitmacht, ist allerdings fraglich. Schließlich muss er bei seinen Anhänger unbedingt den Eindruck vermeiden, nicht hart genug verhandelt zu haben.

(AP/csi)
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