Koalitionsverhandlung in Berlin Schwarz-Gelb — die dritte Auflage

Berlin (RP). Die große Koalition hatte nur einen Vorläufer und brachte es auf sieben gemeinsame Jahre. Rot-Gelb war ohne Beispiel und regierte knapp 13 Jahre; auch Rot-Grün war eine Premiere und schaffte sieben Jahre. Doch das Merkel-Westerwelle-Bündnis kann auf eine lange Tradition zurückgreifen.

Die Koalitionsverhandlungen zwischen CDU, CSU und FDP
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Die Koalitionsverhandlungen zwischen CDU, CSU und FDP

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Am Anfang war Adenauer - und ein schwarz-gelbes Signal. Schon vor seiner Wahl zum ersten Bundeskanzler hatte CDU-Chef Konrad Adenauer den FDP-Politiker Theodor Heuss als Bundespräsident durchgesetzt. Damit legte er die Grundlagen für die Koalitionsfarben in der Zeit der wichtigen Weichenstellungen.

Erst ab 1966 musste die Union mehr Macht teilen — mit der SPD in der ersten großen Koalition. Und nachdem sich die FDP für Sozialliberal entschieden hatte, begann die lange Durststrecke für CDU und CSU in der Opposition. Erst 1982 wandte sich die FDP erneut der Union zu — und ermöglichte CDU-Chef Kohl den Sturz von SPD-Kanzler Schmidt.

Die dritte Auflage von Schwarz-Gelb unter Merkel, Seehofer und Westerwelle ist daher schon von den Umständen ihres Entstehens her nicht mit ihrem Vorgänger-Modell unter Kohl, Strauß und Genscher vergleichbar. Und doch läuft der Grundansatz parallel: Ohne die klare Entscheidung der FDP wäre Kohl nicht Kanzler geworden, und ohne das starke Abschneiden der auf Schwarz-Gelb festgelegten Westerwelle-FDP Merkel nicht Kanzlerin geblieben.

Wie heute hatte sich auch damals das neue Bündnis die Sanierung der Staatsfinanzen und Krisen-Bewältigung auf die Fahne geschrieben. Freilich starteten Union und FDP in die Anfang 1983 vom Wähler bestätigte Koalition mit einer Mehrwertsteuer-Erhöhung.

Und im Unterschied zu heute war die schwere Wirtschaftskrise der 70er Jahre Anfang der 80er vorbei. Die Bürger fanden bald Gefallen an Schwarz-Gelb, auch weil es ihnen wirtschaftlich spürbar besser ging.Viele vermissten allerdings sichtbare Ergebnisse einer von Kohl mit dem Regierungswechsel angekündigten "geistig-moralischen Wende".

Die Regierung stolperte sich statt dessen durch Affären, Skandale und Pannen. FDP-Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff kam in der "Flick-Affäre" abhanden, CDU-Verteidigungsminister Manfred Wörner brachte in der "Kießling-Affäre" die Bundeswehr in Schieflage, und dann lieferten sich Wirtschaftsliberale und Christlich-Soziale ständigen Streit um die "Investitionsanleihe" für Besserverdienende, um Spitzensteuersätze, Renten-Einschnitte und Arbeitslosengeld.

Anfangs hatte "Sparkommissar" Gerhard Stoltenberg Erfolg, aber als es der Wirtschaft wieder schlechter ging, schwand auch die Zustimmung zu Schwarz-Gelb.1989/90 wäre es mit der Regierung Kohl beinahe vorbei gewesen — es waren die Bürger der DDR, die mit ihrer friedlichen Revolution Kohl und Genscher den "Mantel der Geschichte" reichten, sie beide zunächst zu geschickt taktierenden Vätern der Einheit werden ließen und völlig unerwartet danach auch CDU und FDP zu Wahlgewinnern der Einheit machten.

Dieses entscheidende Verdienst von Schwarz-Gelb ging in die Geschichtsbücher ein. Aber es wurde im Kleingedruckten ergänzt um den "Reformstau", der sich in der Endphase der Kohl-Regierung immer drückender zeigte und den auch die Blockade-Politik eines erstarkten SPD-Chefs Oskar Lafontaine provozierte.

Die Verschuldung stieg rasant an, die Finanzierung der Einheit durch die Sozialsysteme setzte auch diese unter Druck, und zum Schluss hatte Kohl es auch versäumt, durch rechtzeitiges Beiseitetreten mit einem Nachfolger dem Bündnis neuen Schwung zu geben. Die Menschen waren des Schwarz-Gelben müde geworden und wagten es mit Rot-Grün.

(RP)
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