"Abschiedsbrief" an die Partei in Blog veröffentlicht Eine Netzaktivistin rechnet mit der SPD ab

Berlin · Yasmina Banaszczuk war bisher SPD-Mitglied. Sie engagierte sich für ihre Partei, auch im Bereich Netzpolitik. Nun aber hat sie genug – und tritt aus der Partei aus. In einem "Abschiedsbrief" in ihrem Blog erklärt sie die Gründe und rechnet mit der Parteispitze ab. Eine Reaktion darauf gibt es schon. Von einem anderen Blogger.

 Yasmina Banaszczuk schreibt in ihrem Blog, dass sie sich unter anderem mit Netzpolitik und Feminismus beschäftige.

Yasmina Banaszczuk schreibt in ihrem Blog, dass sie sich unter anderem mit Netzpolitik und Feminismus beschäftige.

Foto: Screenshot Blog "Frau Dingens"

Yasmina Banaszczuk war bisher SPD-Mitglied. Sie engagierte sich für ihre Partei, auch im Bereich Netzpolitik. Nun aber hat sie genug — und tritt aus der Partei aus. In einem "Abschiedsbrief" in ihrem Blog erklärt sie die Gründe und rechnet mit der Parteispitze ab. Eine Reaktion darauf gibt es schon. Von einem anderen Blogger.

"Ich trete heute aus der SPD aus" — mit diesem Satz beginnt Yasmina Banaszczuk ihren Beitrag in ihrem Blog "Frau Dingens". Am 1. November hat sie ihn online gestellt und wird darin ihren Frust über die von ihr einst so geliebte Partei los. "Ich bin sehr traurig darüber zu gehen, aber die letzten Wochen, viele Stunden Gespräche mit klugen Menschen und noch mehr Stunden Reflexion und Überlegungen ließen keinen anderen Schluss zu: ich bin politische ausgebrannt, ich bin emotional mit dieser Partei am Ende, und ich kann das alles in meinem Wertesystem nicht weiter tragen", schreibt sie weiter.

Manch einer, der sich über den Weg der Sozialdemokraten hin zu einer Großen Koalition ärgert, mag dies ähnlich empfinden, doch Yasmina Banaszczuk tritt nicht aus der Partei aus wegen des desaströsen Wahlkampfes oder wegen der angestrebten Koalition. Sie schreibt vielmehr über verkrustete Strukturen im Inneren der SPD und über die Steine, die einem in den Weg gelegt werden, wenn man denn etwas bewirken wolle.

Ärger über Sigmar Gabriel

"Der letzte Tropfen, der das Fass voll Frust und Resignation und Verzweifelung und — ja, auch — Verletzung zum Überlaufen brachte, war das Stern Panel mit Sigmar Gabriekl letzte Woche", schreibt sie. Es geht um eine Podiumsdiskussion, zu der sie, Parteichef Sigmar Gabriel und Kathy Meßmer eingeladen waren. Gabriel, so schreibt die junge Frau, habe da gesagt, "diese Internetaktivist_innen wären ja alle Berliner Intellektuelle, die keine Ahnung von Lebensrealitäten und 'richtigen' Wahlkreisen hätten".

Für die junge Frau zu viel. Denn sie hatte, wie sie schreibt, die vergangenen fünf Monate ihres Lebens für ein SPD-Mitgliederbegehren gegen die Vorratsdatenspeicherung geopfert. Sie schreibt über ihr Leben, dass auch sie schon arbeitslose war, Existenzangst hatte usw., aber "das ist natürlich keine Lebensrealität", bemerkt sie spöttisch. Sie schreibt über Wahlkampf an Infoständen und dass sie hinter vielen Inhalten der Partei stand und stehe. "Aber anscheinend ist das nicht gut genug. Anscheinend, ist das alles nichts wert" für einen Parteivorsitzenden, der Menschen im Internet "persönlich runter machen muss".

Und dann rechnet sie ab mit dem "System von Klüngelei, wo Wahlkampfjobs nicht nach Fähigkeit, sondern nach Buddyschaft vergeben werden". Wie tief der Frust in ihr ist, lässt sich in jeder Zeile nachlesen. Sie wolle auch gar nicht in eine andere Partei, bemerkt sie ganz am Ende, und dass es kein Aus für immer sein müsse — allerdings "nicht mit diesem Parteivorsitzenden, das ist klar". Doch im Moment nehme sie "traurig aber bestimnmt, vorerst Abschied von der Partei".

Dickes Fell und Beharrlichkeit

Dass sie eine Reaktion aus der Partei selbst bekommen würde, hat Yasmina Banaszczuk sicherlich nicht erwartet. Die Kommentarfunktion zu ihrem Blogbeitrag jedenfalls hat sie vorsichtshalber schon mal ausgeschaltet. Eine Reaktion kam dann aber doch — von Nico Lumma, ebenfalls Netzaktivist und Blogger - und SPD-Mitglied. Er widmet sich in seinem Blog "Lummaland" dem Abschiedsbrief und übt auch Kritik daran.

"Ein unnötiger Abschied" heißt der Beitrag. Zwar könne sie den Schritt der Bloggerin "gut verstehen und nachvollziehen", trotzdem halte er ihn grundsätzlich für falsch. Denn inhaltliche Veränderungen in einer Partei wie der SPD seien oftmals quälend langsam. "Das kann man anprangern, denn das nervt", schreibt er. Aber man müsse wohl oder übel auch akzeptieren, dass die SPD auf einem System von Mandats- und Funktionsträgern basiere.

"Wenn man in der SPD etwas bewegen will (...), dann muss man sich Mehrheiten organisieren", schreibt er. Man müsse verdammt hart arbeiten, um Einfluss nehmen zu können auf die Politik. Er fordert Yasmina Banaszczuk dazu auf, sich aufzustellen, wählen zu lassen und für ihre Positionen zu werben, zumal sie auch ihren Einfluss unterschätze, da sie ja ohne Amt Zugang zu Gabriel und Generalsekretärin Andrea Nahles habe.

"Es ist also nicht so, dass Du nichts ausrichten kannst, es dauert nur länger, als wir uns wünschen", schreibt Lumma noch und fügt hinzu: "Das geht leider nur mit einem dicken Fell und Beharrlichkeit. Es ist schade, Yasmina, dass Du dieses dicke Fell nicht mehr haben willst."

(das)
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