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Die Wurzeln des SPD-Kanzlerkandidaten Besuch bei Steinmeiers Eltern

Brakelsiek (RP). Größer können Gegensätze kaum sein: Während es für Frank-Walter Steinmeier auf der politischen Bühne in der Hauptstadt Berlin mitunter turbulent zugeht, ist in dem idyllischen Brakelsiek im Lipperland die Welt noch in Ordnung. Hier leben die Eltern des Außenministers, hier schöpft er Kraft. Ein Besuch.

Besuch bei Steinmeiers Eltern
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Wie eine Insel liegt das 1000-Seelen-Dorf Brakelsiek inmitten von Feldern, Wiesen und Wäldern. Grün, so weit das Auge reicht. Wer ein "bisschen Landluft schnuppern" möchte, sei genau richtig in dem "Ferienland Lippe" zwischen Teutoburger Wald und Höxter, wirbt die Gemeinde für sich. Stolz präsentiert sie sich als "Golddorf" — 1997 war Brakelsiek Sieger im Kreiswettbewerb Lippe bei "Unser Dorf soll schöner werden — unser Dorf hat Zukunft".

Als der designierte SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier kürzlich von Studenten der Berliner Humboldt-Universität gefragt wurde, wie man Außenminister wird und wo man dafür herkommen muss, antwortete er: "Sicher nicht aus Brakelsiek." Im "armen Winkel von NRW" sei er groß geworden, zitiert ihn der "Spiegel" weiter.

Karriere-Drehbuch

Das Drehbuch für eine politische Karriere wie die des Außenministers wird sicher nicht in einem solch kleinen Dorf geschrieben. Doch zumindest die Wurzeln für Steinmeiers Engagement in der SPD wurden in seinem Elternhaus gelegt. Sein Vater, Walter Steinmeier, ist eines von 23 SPD-Mitgliedern in Brakelsiek. Der heute 80-jährige Tischler baute sich und seiner Familie mühsam, aber eigenständig erarbeitet, eine bescheidene Existenz am Rande des Ortes auf.

Seine Mutter Ursula, 78, zeichnet dem "Spiegel" gegenüber ein Bild einer wohlbehüteten und unbeschwerten Kindheit auf dem Land und einer Jugend, in der Freundschaft und Zusammenhalt zählten. Jeden Sonntag hätten Frank-Walter Steinmeier und seine Freunde um Punkt vier Uhr zu Hause auf der Matte gestanden. Dann gab es Kaffee und Kuchen. Auch noch, als sie schon längst volljährig waren.

Auch heute kehrt der prominente Sohn hin und wieder in seine Heimat zurück. In diesem Jahr bereits zweimal: Zum 100-jährigen Bestehen des TuS Brakelsiek, in dem er als Junge Fußball spielte, und zum 80. Geburtstag seines Vaters. Doch über Politik werde bei den Steinmeiers dann nur selten gesprochen, sagten sie der "Westfälischen Rundschau". "Dafür ist die Zeit zu knapp", findet Ursula Steinmeier. Doch über die Kanzlerfrage hielt ihr Sohn sie dann doch informiert. "Der Frank hat immer behauptet, der Beck, der kann das, der hat die Fähigkeiten dazu", erzählte Walter Steinmeier der Tageszeitung. Doch schließlich brauche ein Kandidat mehr. "Ausstrahlung etwa", fügt er hinzu. "Und den Beck wählen die Frauen nicht."

Vertrauen in den Sohn

Wenn sich Ursula Steinmeier früher nie viele Gedanken um ihren Jungen Frank-Walter machen musste ("Wir haben ihm viel erlaubt, weil wir ihm immer vertrauen konnten"), so kommt sie heute doch ins Grübeln. "Wenn ich an das kommende Jahr denke: Das wird eine ganz schöne Nervenanstrengung. Gar nicht so einfach, der Regierung und auch der Partei gerecht zu werden", sagt sie. Der Vater sieht es eher pragmatisch: Schließlich habe Frank-Walter Steinmeier momentan noch drei Jobs. Hingegen könne er sich als Kanzler endlich auf nur noch einen konzentrieren.

Walter Steinmeier verfolgt mit kritischem Blick das Geschehen in Berlin. Zwei große Parteien in einem Boot? Das kann seiner Ansicht nach gar nicht gut gehen. Doch noch weniger ist er ein Freund der Linken. Weder in den eigenen Reihen, noch in der Partei um Oskar Lafontaine. Wie sich ihr Sohn — sein früherer Trainer beim TuS Brakelsiek hat ihn einmal als "Wadenbeißer" bezeichnet — zwischen diesen Polen behauptet, beschäftigt die Steinmeiers sehr.

Eltern erfuhren erst spät vom SPD-Beben

Am vorigen Sonntag bedauerten sie Frank-Walter Steinmeier um das lange Prozedere am brandenburgischen Schwielowsee. Erst als die Steinmeiers abends nach Hause kamen, erfuhren sie von dem Ergebnis. Auch allein deshalb, weil Journalisten ihr Haus belagerten und um Stellungnahmen baten.

Doch wer von den Eltern erfahren wollte, wie sich der designierte Kanzlerkandidat über seine Nominierung freute, blieb unbefriedigt zurück. Mit ihrem Sohn hatten die Steinmeiers zu diesem Zeitpunkt noch nicht gesprochen. "Den rufen wir grundsätzlich nicht an", sagte Vater Walter Steinmeier der "Westfälischen Rundschau". "Und schon gar nicht in dieser Situation."

Politik veränderte ihren Sohn

Während gemeinsamer Urlaube haben sie gemerkt, wie die Politik ihren Frank-Walter verändert hat. Dass er keine ruhige Minute mehr hat, ständig präsent sein muss. Und vor allem auch, wie er seine Worte sorgsam aneinanderreiht, darauf bedacht, niemandem auf die Füße zu treten.

Als er auf dem Festakt zum Hundertjährigen seines alten Brakelsieker Fußballvereins redete, öffnete er sich für einen Moment. Plauderte über die Fahrt zu Auswärtsspielen im Bulli und den Fahrer Herr Wienke, war an erster Stelle Mensch, dann erst Politiker. Das war vor wenigen Wochen. "Da war er noch so richtig gelöst”, erinnert sich seine Mutter Ursula Steinmeier. Dort habe er Kraft tanken können. "Das hat ihm noch einmal so richtig gut getan.”

(RPMANTEL)
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