Kolumne Berliner Republik Die enttäuschte Liebe des Herrn Steinbrück

Berlin · Am Sonntag will sich Peer Steinbrück mal so richtig mit Angela Merkel kabbeln. Beim TV-Duell. In Wirklichkeit schätzt der SPD-Herausforderer die CDU-Kanzlerin. Weil sie ihn aber konsequent ignoriert, will er nicht mehr mit ihr regieren.

Stellen will er sie. Und auch mal richtig angreifen. Als Frau, die immer nur im Kreisverkehr fährt, etwa. Ohne Ziel. Ohne Kompass. Als Alibi-Politikerin, die den Menschen nicht die Wahrheit sagt. Eine öffentliche Demaskierung der mächtigsten Frau der Welt.

So ähnlich stellt sich SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück das TV-Duell an diesem Sonntag gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel vor. Steinbrück und seine Strategen wollen ein Bild der Gegensätze liefern. In der linken Ecke der Klartext-Kandidat: kernig, schlagfertig, kompetent. In der rechten Ecke die Wellness-Kanzlerin: weich, beliebig, orientierungslos. Das müsste doch den "Swing" ("Stimmungswende") bringen, so der Wunsch der Genossen.

In Wahrheit duellieren sich in Berlin zwei alte Weggefährten, die nicht nur den Geburtsort Hamburg, sondern auch eine unaufgeregte, pragmatische Herangehensweise an die Politik gemein haben. Die gegenseitige Wertschätzung, ja, die persönliche Sympathie füreinander, haben beide zu Zeiten der großen Koalition mehrfach geäußert. Merkel sei eine angenehme Person, schmeichelte Steinbrück noch nach der SPD-Wahlniederlage 2009. Er habe sich nie mit ihr gestritten. Der "Spiegel" fühlte sich dereinst zu dem Satz hingerissen, wenn Steinbrück über Merkel rede, sei das "pures Schwärmen, als hätte er sich über beide Ohren verliebt in die Kanzlerin".

Schmerzlicher Liebesentzug Merkels

So weit muss man nicht gehen. Aber wer Steinbrück in den vergangenen Monaten bei ausgeschalteten Mikrofonen über die Kanzlerin hat reden hören, konnte zumindest den Eindruck gewinnen, dass da einer nun auch deshalb auf Konfrontationskurs geht, weil der "Liebesentzug" Merkels nach dem schwarz-gelben Wahlerfolg so schmerzt.

Nur ein einziges Mal, kurz nach der Bundestagswahl, hatte Merkel Steinbrück zu einem Abendessen ins Kanzleramt eingeladen. Man trank Rotwein und sprach über die zurückliegenden Jahre. Steinbrück erzählt dies heute freimütig, und man hört fast die Enttäuschung heraus, dass es danach nie wieder ein Treffen gab. In der Euro-Schuldenkrise fragte Merkel ihren finanzkompetenten Ex-Minister nicht um eine Einschätzung. Kein Treffen, kein Vieraugengespräch.

Das soll angeblich ein Grund dafür sein, warum Peer Steinbrück später als Kanzlerkandidat sofort eine Rückkehr in ein Kabinett Merkel ausgeschlossen habe. Dass Merkel den Namen ihres Herausforderers bei öffentlichen Auftritten meidet, wurmt den nicht uneitlen Steinbrück zusätzlich.

Für das TV-Duell ist all das Zündstoff. Enttäuschte Ex können bekanntlich wild werden.

(brö)
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