Atomwende in Deutschland Bayern will neue Suche nach Atom-Endlager

Berlin (RPO). Die Ankündigung des schwarz-gelben Atomausstiegs ist erst wenige Stunden alt, da hagelt es von SPD, Grünen und Atomgegnern scharfe Kritik an den Plänen, im Jahr 2022 das letzte deutsche Atomkraftwerk vom Netz zu nehmen. Neue Töne kommen indes aus Bayern. Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) willigte erstmals ein, die Suche nach einem Endlager auch über den Standort Gorleben hinaus auszuweiten.

Interview um 2.36 Uhr: Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) verkündet die Ergebnisse der Nachtsizung.

Interview um 2.36 Uhr: Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) verkündet die Ergebnisse der Nachtsizung.

Foto: dapd, dapd

Neue Töne aus dem Süden: Neben der ergebnisoffenen Erkundung Gorlebens habe sich die Koalition geeinigt, Verfahren zur Ermittlung "allgemeiner geologischer Eignungskriterien" einzuleiten, sagte CSU-Chef Horst Seehofer am Montag vor Journalisten. Bisher hatte sich der Freistaat rigoros gegen einen solchen Schritt gewehrt.

"Ganz Deutschland ausleuchten"

Ganz Deutschland müsse "neu ausgeleuchtet" werden. Über konkrete Standorte sei bei den Beratungen im Kanzleramt in der Nacht zu Sonntag aber "bewusst" nicht diskutiert worden, hob er hervor. Das Ergebnis der nächtlichen Verhandlungen um die künftige Energiepolitik lobte Seehofer als "epochale Weichenstellung". Das von der schwarz-gelben Koalition erklärte Ziel eines endgültigen Ausstiegs aus der Atomenergie bis zum Jahr 2022 sei unumkehrbar, sagte Seehofer.

Den schwarz-gelben Plänen zufolge sollen die nach der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima abgestellten sieben ältesten Kraftwerke und der Pannen-Meiler in Krümmel nie wieder ans Netz gehen. Sechs weitere Kraftwerke sollen spätestens 2021 abgeschaltet werden.

"Kalte Reserve"

Der Präsident des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND), Hubert Weiger, forderte im RBB-Inforadio einen sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie. Es gebe eine ganze Reihe von Gutachten, die im Ergebnis einen Ausstieg bis spätestens 2014 für möglich hielten.

Die Organisation Germanwatch kritisierte die Koalitionsgespräche in der Nacht zum Sonntag vor allem wegen der Schlupflöcher der sogenannten Kaltreserven und der ins Auge gefassten massiven Streichungen für die Solarenergie als unzureichend. Von einer "großen Enttäuschung" sprach der Verband Naturfreunde.

SPD: "Schwachsinnig"

Kritik kommt auch von der SPD. Der Plan zum Ausstieg sei "wirtschaftspolitisch schwachsinnig und technisch nicht umsetzbar", sagte der für Umweltfragen zuständige Fraktionsvize Ulrich Kelber dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Er werde seiner Partei empfehlen, dem Gesetz im Bundestag nicht zuzustimmen.

Das neue Konzept falle hinter den Ausstiegsbeschluss der rot-grünen Bundesregierung aus dem Jahr 2001 zurück, demzufolge auch moderne Meiler bereits vor 2020 vom Netz hätten gehen sollen. Zudem sei ein Stand-By-Modus, "technisch nur mit Kosten von 50 Millionen Euro pro Atomkraftwerk" umsetzbar.

"Fragen sehr, sehr offen"

Die Grünen lassen ihre Zustimmung im Bundestag offen. "Es sind noch ziemlich viele Fragen sehr, sehr offen", sagte Grünen-Chefin Claudia Roth im ZDF. Die Grünen könnten sich erst dann eine Meinung bilden, wenn alles auf dem Tisch liege, was die Bundesregierung vorhabe.

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagte im Bayerischen Rundfunk, Schwarz-Gelb habe in den Beschlüssen Hintertüren offengelassen. Beispielsweise beinhalteten sie "in einem bisher nicht überprüfbaren Maß die Möglichkeit, Strommengen von einem Atomkraftwerk aufs andere zu übertragen und auf diese Weise Verlängerungen einzubauen".

(AFP/RTR/DAPD/RPO)
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