AfD vor dem Bruch Alles klar zum Gemetzel

Berlin · Die Grabenkämpfe zwischen radikal-nationalen und moderaten Kräften zerreißen die Alternative für Deutschland. Seit Monaten sind Pöbeleien und Intrigen an der Tagesordnung. Jetzt will Bernd Lucke die Entscheidung erzwingen.

 AfD-Chef Bernd Lucke telefoniert am bei der Bremer Wahlparty der AfD in einem Nebenraum.

AfD-Chef Bernd Lucke telefoniert am bei der Bremer Wahlparty der AfD in einem Nebenraum.

Foto: dpa, iwa fdt

Der Machtkampf eskalierte am Sonntagabend während die Stimmen der Wahl in Bremen ausgezählt wurde. "Bild.de" hatte zeitgleich zu den verhaltenen Siegesfeiern der AfD die Meldung herausgegeben, nach der Parteichef Bernd Lucke den Austritt anstrebe und eine neue Partei gründen wolle. Als Kronzeuge wurde der Co-Vorsitzende Konrad Adam zitiert: "Es gibt handfeste Indizien dafür, dass Bernd Lucke sich dazu entschieden hat, die AfD zu verlassen."

Lucke wollte die Meldung nicht kommentieren, verzichtete aber auch auf ein klares Dementi. Einem Bericht von faz.net zufolge hat ihn die Meldung jedoch kalt erwischt. Unmittelbar zuvor habe er bei den Feiern in Bremen noch Scherze gemacht, anschließend habe er sehr ernst gewirkt.

Am Montagmorgen folgte der Gegenschlag: Jetzt wurden gegenüber Adam selbst Rücktrittsforderungen laut. Absender: Hans-Olaf Henkel, der im April mit einem großen Knall aus dem Vorstand zurückgetreten war. "Der ist völlig von der Rolle", sagte der Wirtschaftsliberale handelsblatt.com. "Er soll selbst gehen und zwei weitere aus dem Vorstand gleich mitnehmen", fügte Henkel mit Blick auf die dritte Parteivorsitzende, Frauke Petry, und Parteivize Alexander Gauland hinzu. Adam, Petry und Gauland gelten als Vertreter des nationalkonservativen Flügels der AfD, sympathisierten mit Positionen von "Pegida" und sind erklärte Lucke-Gegner.

In der AfD herrscht Chaos. Die Gräben sind tief. Wie sich die Partei-Größen gegenseitig zerlegen, ist beispiellos. Und dürfte nur Auftakt sein für das, was noch bevorsteht. Es läuft auf einen Showdown hinaus, erster Stichtag ist voraussichtlich der 18. Mai. Dann will Lucke Medienberichten zufolge mit dem rechten Flügel abrechnen.

Am Montagmorgen erklärte Lucke sich in einer E-Mail an alle Parteimitglieder. Aussage: Der Bruch zwischen den Radikalen und Bürgerlichen ist unausweichlich. "Ich glaube nicht, dass Appelle zur Geschlossenheit hier weiterhelfen. Die Grundvorstellungen dieser beiden Gruppen sind unvereinbar", so Lucke.

"Ich war sehr überrascht, sozusagen die Nachricht meines eigenen Ablebens lesen zu müssen. Dies umso mehr, als Herr Adam mich zu meiner angeblichen Absicht nie befragt hat", schrieb Lucke. Auffällig: Auch in seiner E-Mail formulierte Lucke nur ein indirektes Dementi. "An diesem Gerücht ist lediglich wahr, dass ich mir große Sorgen um die AfD mache", so Lucke. Ende der Durchsage.

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"Es gibt Kräfte in der Partei, die eine andere, radikalere AfD wollen", kritisierte der AfD-Chef weiter. Diese Kräfte wollten "die Grundausrichtung der Partei hin zu dem radikalen, systemkritischen Ansatz" verschieben. "Ich hielte das für fatal, aber wir haben den Streit und er muss entschieden werden", schrieb Lucke. Damit werde sich auch entscheiden, "welche Personen die Partei künftig vertreten sollen".

In seiner Mail gebrauchte der AfD-Chef deutliche Worte: Die AfD biete "Karrieristen, Querulanten und Intigranten die trefflichsten Gelegenheiten der Selbstverwirklichung". Viele andere Mitglieder befürchteten deswegen inzwischen schon berufliche Nachteile oder soziale Ausgrenzung, wenn ihre AfD-Mitgliedschaft bekannt sei. Daher könne die AfD nicht "einfach so weiter machen wie bisher". Die Partei werde "zerbrechen", wenn der Prozess der "Entbürgerlichung" weitergehe.

Die Entwicklung sei auch ein Grund dafür, dass sich einige potenzielle AfD-Wähler in Hamburg und Bremen wieder der FDP zugewandt hätten.

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Nächster gesetzter Termin für das Hauen und Stechen ist der Parteitag Mitte Juni in Kassel, bei dem ein neuer Vorstand gewählt werden soll. Das gleichberechtigte Trio - neben Lucke und Petry auch Konrad Adam - soll dann durch eine Doppelspitze ersetzt werden. Wer die meisten Stimmen bekommt, soll dann im Dezember automatisch alleiniger Parteichef werden.

Lucke hat die Vorstandswahl zur Richtungsentscheidung erhoben. Aus dem Parteitag Ende Januar ging Lucke noch als strahlender Sieger hervor, denn auf seinen Wunsch wurde die Reform der AfD-Spitze beschlossen. Mittlerweile ist er aber in die Defensive geraten. Ihm fehlt mit Henkel sein engster Mitstreiter. Der hatte sein Amt als stellvertretender Parteichef entnervt aufgegeben. In den Querelen mit den Landesparteichefs Marcus Pretzell (NRW), Björn Höcke (Thüringen) und Alexander Gauland (Brandenburg) konnte er sich nicht durchsetzen.

Überlebt eine AfD ohne Lucke?

Als entscheidend könnte sich in Kassel herausstellen, dass der Parteitag von wenigen hundert Delegierten abgehalten wird. In Bremen waren es knapp 2000 Mitglieder, die Lucke mit seinen Reden auf seine Seite ziehen könnte. Ob das bei Delegierten gelingt, die ihren Landesvorsitzenden verpflichtet sind, ist unsicher. Lucke versuchte, das Kassler Treffen erneut zum Mitgliederparteitag zu machen, scheiterte aber an hohen Kosten.

Ob sich die AfD ohne Lucke an der Spitze wird behaupten können, scheint zweifelhaft. "Wenn Lucke nicht mehr da ist, ist die Partei viel angreifbarer", sagt der Politologe Jürgen Falter. Lucke sei frei von jedem Verdacht, dass er ein verkappter Rechtsextremer sein könnte. Trotzdem sei die AfD auch auf den nationalkonservativen Flügel angewiesen, denn ihre Stärke fuße auf ihren zwei weltanschauliche Polen: "Der eine ist der wirtschaftliberale Pol für Wähler der Mitte, die unzufrieden sind mit der Euro- und Griechenland-Politik. Der andere Pol sind Nationalkonservative und Wertkonservative, die von der CDU enttäuscht sind und sich in keiner Partei mehr zu Hause fühlen." Falter ist sehr skeptisch, ob beide Flügel ihren Streit beilegen können: "Es gibt keinerlei Anzeichen, dass die Führungsleute dies einsehen würden."

(dpa REU)
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