Peking Chinas Kino dient der Staatsräson

Peking · Die Regierung schützt und fördert die heimische Filmindustrie, die dem Land zu mehr internationalem Einfluss verhelfen soll.

Im Juli und August hat sich an Chinas Kinokassen ein einheimischer Film auf den ersten Platz der umsatzstärksten Titel geschoben. Der Fantasy-Streifen "Monster Hunt" steuert darauf zu, über 300 Millionen Euro einzuspielen - ein China-Rekord, und auch nach internationalen Maßstäben sehr ordentlich. Bei dem spektakulären Erfolg haben jedoch staatliche Regulierungen nachgeholfen: Jeden Sommer - und im Umfeld der wichtigsten Feiertage - dürfen die Kinos kaum ausländische Filme zeigen. Das soll den chinesischen Eigenproduktionen einen Schub geben. Offenbar funktioniert das blendend - "Monster Hunt" hat genau in den Juli-Wochen abgehoben, als die lästige Konkurrenz der Hollywood-Produktionen ausgeschaltet war.

Die Schaffung geschützter Zonen für chinesische Filme ist Teil einer groß angelegten Strategie. Chinas Präsident Xi Jinping hat große Pläne mit der Filmindustrie seines Landes. Er hat im vergangenen Jahr mehrere Leitlinien formuliert. Vor allem verlangt Xi eine höhere Qualität der Eigenproduktionen, damit diese auch international eine Chance haben. Damit soll China international mehr "Softpower" entfalten, also emotionalen Einfluss in anderen Ländern.

Zugleich hat Xi bei einem viel beachteten Symposium mit Kulturschaffenden Vorgaben gemacht, die diesem Ziel zum Teil widersprechen. Die Filme müssen ideologisch auf Linie bleiben: "Die Kunst dient dem Sozialismus." Diese Formel bedeutet im Klartext: Sie sollen den Machterhalt der Kommunistischen Partei stützen und sich der Zensur unterwerfen.

Chinas Drehbuchautoren und Regisseure arbeiten also weiterhin in einem geistigen Korsett. Die staatlichen Wächter in der State Administration of Press, Publication, Radio, Film and Television sind allmächtig. Sie maßen sich nicht nur an, die Leinwand von politische Botschaften oder Anspielungen frei zu halten. Ihre Eingriffe gehen häufig sehr viel weiter. Aus dem deutsch-amerikanischen Film "Cloud Atlas" haben sie beispielsweise 38 Minuten herausgeschnitten, darunter etwa alle Szenen, in denen Homosexualität vorkommt.

Doch das hindert Chinas Filmindustrie in der Praxis nicht daran, gewaltige Zuschauerzahlen und hohe Gewinne einzufahren. Denn die Mehrheit des Publikums schert sich kein bisschen um Politik. Sie will einfach nur ein möglichst lautes und prächtiges Spektakel. Ein endlose Folge von historisch-fantastischen Kung-Fu-Filmen mit mäßiger 3D-Tricktechnik bedient diese Nachfrage. Und nirgendwo stößt das Angebot auf so viel potenzielle Interessenten wie hier: In zwei Jahren wird der Filmmarkt in China jenen in den USA überholen, wie das Forschungshaus EntGroup prognostiziert. Allein im Juli haben Chinas Kinos 160 Millionen Besucher gezählt, das Wachstum liegt bei rund 30 Prozent. Der Umsatz wird in diesem Jahr zwischen fünf und sechs Milliarden Euro liegen.

Ein weiteres beliebtes Format sind Komödien mit viel Klamauk und Slapstick. Echte Qualitätsproduktionen wie die Filme des international preisgekrönten Regisseurs Zhang Yimou sind zwar gar nicht selten und schaffen es auch auf internationale Festspiele wie die Berlinale und Cannes. Sie gehen jedoch im chinesischen Kinoprogramm mit über 1000 Eigenproduktionen pro Jahr unter. Nur 15 Prozent von ihnen machen in den knapp 24 000 Kinos das Landes Gewinn - die wenigen extrem erfolgreichen Blockbuster müssen zahlreiche Flops mitfinanzieren.

Die Industrie ist also auf Schutzzäune wie die "No-Hollywood"-Regel im Sommer bitter angewiesen. Amerikanische Großproduktionen sind beim Massenpublikum enorm beliebt. In der ersten Jahreshälfte haben sie 53 Prozent der Erlöse ausgemacht. Bombastische Tricktechnik ist für den Erfolg deutlich wichtiger als eine logische Handlung, weswegen Filme wie "Transformers" in seiner jeweils neuesten Ausprägung oder zuletzt "Jurassic World" zu den beliebtesten Streifen gehören.

Deswegen lässt Peking jährlich nur 34 Hollywood-Produktionen ins Land. Die US-Filmindustrie hat darauf reagiert und passt ihre Werke an den chinesischen Geschmack an. James Bond muss genauso wie die Transformers im Laufe der Handlung verpflichtend einen Chinaaufenthalt einlegen. Aus dem aktuellen Film "Pixels" haben die Produzenten eine Szene herausgeschnitten, in der die chinesische Mauer gesprengt wird.

Die chinesische Kulturbürokratie ärgert sich derweil, dass die eigenen Produktionen international noch kaum ankommen. Die US- Animationsfilme um den "Kung Fu Panda" beispielsweise hätten doch eigentlich aus China kommen müssen, so die Überlegung. China stößt zahlreiche Zeichentrickfilme aus - warum dominieren dann weltweit weiterhin Disney+, Pixar oder japanische Anime? Die jüngste Eigenproduktion "Monkey King: Hero is Back" hat zwar im eigenen Land gute Ergebnisse eingefahren, war international aber kaum beachtet.

Xi Jinping lässt die Industrie nun mit weiteren Subventionen fördern, um Erfolge zu schaffen. Die reichen Investoren des Landes haben ebenfalls reagiert und gründen Filmstudios - teil auf staatliche Anregung, teil, um von dem Trend zu profitieren, der von oben gewollt ist. Der Milliardär und Immobilienunternehmer Wang Jianlin beispielsweise lässt in der Hafenstadt Qingdao derzeit eine Filmstadt aus dem Boden stampfen.

Zugleich verändert derzeit ein anderer Trend die chinesische Filmwirtschaft: Internetkonzerne übernehmen zunehmend die Kontrolle. "Monster Hunt" beispielsweise ist von dem Internet-Konzern Tencent mitfinanziert. "Es ist möglich, dass sämtliche Filmproduktionsfirmen in naher Zukunft für Internetfirmen arbeiten", vermutet der Mediendienstleister EntGroup. Die Mehrzahl der jungen Leute schaut sich hauptsächlich Videoübertragungen im Internet an. Ins Kino gehen sie eher für ein Date. Für Tencent hat sich die Investition in "Monster Hunt" bereits reichlich gelohnt. Der Streifen hat nur 50 Millionen Euro gekostet, spielt nun aber mehrere hundert Millionen ein.

(RP)
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