Weltberühmtes Museum in Istanbul Erdogan will Hagia Sophia zur Moschee machen

Istanbul · Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan unternimmt abermals einen Versuch, das ursprünglich als Kirche errichtete Bauwerk umzuwidmen. Was es ihm nützen würde, ist fraglich.

Die Hagia Sophia, aufgenommen kurz nach Sonnenaufgang (Archivbild).

Die Hagia Sophia, aufgenommen kurz nach Sonnenaufgang (Archivbild).

Foto: dpa/Marius Becker

Die Stimmung ist schlecht, die Umfragen sind mies – da besinnt sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan immer gerne auf eine politische Trumpfkarte. Erdogan lässt die Umwandlung der Hagia Sophia in Istanbul in eine Moschee prüfen, seine Partei AKP kündigt für den kommenden Monat entsprechende Entscheidungen an. Islamisten in der Türkei fordern schon lange, die Hagia Sophia zur Moschee zu machen. Dass Erdogan diese Forderung jetzt möglicherweise erfüllen will, zeigt, dass sein Vorrat an politischen Angeboten an die Wähler so gut wie erschöpft ist. Sollte die Hagia Sophia tatsächlich zur Moschee werden, wäre das ein sicheres Zeichen dafür, dass in der Türkei eine vorgezogene Neuwahl bevorsteht.

Die Hagia Sophia wurde im 6. Jahrhundert als Reichskirche der Byzantiner gebaut und war fast 1000 Jahre lang die wichtigste Kirche des Christentums. Als die Osmanen im 15. Jahrhundert das damalige Konstantinopel – das heutige Istanbul – eroberten, machten sie die Hagia Sophia zur Moschee. Republikgründer Mustafa Kemal Atatürk erklärte sie 1935 zum Museum. Als Wahrzeichen Istanbuls zählt das anderthalb Jahrtausende alte Gotteshaus heute mit 3,7 Millionen Besuchern im Jahr zu den Hauptmagneten für Besucher der Metropole. Als Teil des Weltkulturerbes steht die Hagia Sophia unter dem Schutz der UN-Kulturorganisation Unesco.

Erdogans islamisch geprägte Regierung hatte in den vergangenen Jahren mehrere ehemalige Kirchen in der Türkei zu Moscheen erklärt. Dagegen blieb der Status der Hagia Sophia als Museum bisher unangetastet, auch wenn in dem Bau hin und wieder muslimische Gebete gesprochen werden, wie zuletzt am Jahrestag der osmanischen Eroberung von Istanbul im Mai.

In der türkischen Politik ist das Thema so etwas wie das Monster von Loch Ness: Es taucht immer wieder auf, ohne dass es greifbare Ergebnisse gibt. Noch im vergangenen Jahr wies Erdogan die Forderungen der Islamisten mit der Bemerkung zurück, sie sollten erst einmal die Blaue Moschee neben der Hagia Sophia mit Gläubigen füllen.

Doch Erdogans Haltung hat sich offenbar geändert. Medienberichten zufolge will er prüfen lassen, wie eine Umwandlung bewerkstelligt werden könnte. Im Staatssender TRT sagte der Präsident, die Entscheidung über diese Frage liege bei der Nation. Devlet Bahceli, Chef der rechtsgerichteten Partei MHP und Erdogans Koalitionspartner im Parlament, stellte sich öffentlich hinter die Forderung nach einer Umwandlung und verstärkte damit den Druck auf den Präsidenten. Im Parlament lehnte die AKP zwar den Antrag einer konservativen Oppositionspartei in der Sache ab, kündigte aber gleichzeitig an, im Juli selbst die „nötigen Schritte“ zu unternehmen.

Impressionen aus Istanbul
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Wenn die Türkei die Hagia Sophia zur Moschee erklären sollte, würde dies insbesondere den Nachbarn Griechenland verärgern, für den der Bau nach wie religiöse Bedeutung hat. Das Athener Außenministerium kritisierte schon beim muslimischen Gebet im Mai, die Türkei verletze die Regeln der Unesco. Kritik aus dem Ausland wäre der Erdogan-Regierung wahrscheinlich sogar recht, weil sie sich als Beschützerin der nationalen Werte der Türkei präsentieren könnte.

Dennoch ist unsicher, ob Erdogan großen innenpolitischen Nutzen aus einer Umwandlung der Hagia Sophia in eine Moschee ziehen könnte. Bei jungen Türken, die 20 Prozent der Wählerschaft ausmachen und die sich immer mehr von der AKP abwenden, wäre die 1500 Jahre alte Hagia Sophia wohl kaum ein Renner: Nach einer neuen Umfrage des Gezici-Instituts ist fast jeder dritte von ihnen nicht gläubig, nur 16 Prozent sind fromme Muslime.

Nach einer anderen Befragung liegt die AKP bei knapp 31 Prozent der Stimmen und ist damit weit von ihren Glanzzeiten entfernt, als sie auf gut 50 Prozent kam. Vor allem die schlechte Wirtschaftslage und der Eindruck, dass Erdogan und seine Berater im Präsidentenpalast von Ankara von der Lebenswirklichkeit der meisten Türken weit entfernt sind, machen der Regierung zu schaffen. Am Donnerstag reagierten viele Twitter-Nutzer verärgert auf die Nachricht, dass Erdogan für ein Konzert in seinem Palast knapp vier Millionen Euro ausgegeben hat.

Die Hagia Sophia zur Moschee zu machen, könnte in dieser Lage allenfalls für ein Strohfeuer sorgen – doch ein Strohfeuer wäre nur sinnvoll, wenn bald gewählt würde, und nicht erst in drei Jahren, wie es der offizielle Kalender vorsieht. Obwohl AKP und MHP dementieren, ist die Opposition überzeugt, dass die Regierung vorgezogene Wahlen plant. Der Demoskop Ibrahim Uslu, ein früherer Berater der AKP, hält eine Wahl im kommenden Jahr für möglich. In der Oppositionszeitung „Cumhuriyet“ wies er darauf hin, dass AKP und MHP derzeit über Änderungen des Wahlrechts beraten: Das wäre unnötig, wenn erst 2023 gewählt werden soll.

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