Deutschland im UN-Sicherheitsrat Auf Abruf im Club der Macht

New York · Deutschland ist für zwei Jahre im UN-Sicherheitsrat. Doch als nichtständiges Mitglied werden die Deutschen nur einen sehr überschaubaren Einfluss ausüben können. Und eine Reform des Gremiums ist nicht in Sicht.

Heiko Maas, Außenminister von Deutschland, gibt bei der Wahl im UN-Sicherheitsrat seine Stimme ab. Auf die fünf frei werdenden Sitze wurden Belgien, Südafrika, die Dominikanische Republik, Indonesien und Deutschland gewählt.

Heiko Maas, Außenminister von Deutschland, gibt bei der Wahl im UN-Sicherheitsrat seine Stimme ab. Auf die fünf frei werdenden Sitze wurden Belgien, Südafrika, die Dominikanische Republik, Indonesien und Deutschland gewählt.

Foto: dpa/Mary Altaffer

Es ist zwar nur ein Tisch, aber er symbolisiert die Macht. Am hufeisenförmigen Pult im New Yorker Hauptquartier der Vereinten Nationen fällt der Weltsicherheitsrat seine Entscheidungen. Das Prestige-Gremium mit 15 Mitgliedern trägt die "Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens". Seine Resolutionen sollen Kriege beenden und dafür sorgen, dass Krisen erst gar nicht in bewaffnete Konflikte eskalieren. Deutschland hat am Freitag einen Sitz auf Zeit am Hufeisentisch erhalten, 184 der 193 Mitgliedstaaten stimmten dafür. Deutschland warb zum sechsten Mal um einen Platz in diesem Gremium. "Wir wollen bei der Bewältigung der größten Herausforderungen für Frieden und Sicherheit mitwirken", sagt Bundesaußenminister Heiko Maas.

Platz mit Geld „erkauft“

Die Chancen, die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit der UN-Mitgliedsländer zu erringen, standen bereits im Vorfeld gut für den deutschen Kandidaten. Deutschland konnte vor allem mit seinem Scheckbuch punkten. Die Bundesrepublik profiliert sich weltweit als zweitgrößter Geber für humanitäre Hilfe und steuert den viertgrößten Beitrag zum UN-Budget bei, betont das Auswärtige Amt.

Zudem stellte die Bundeswehr 4000 Soldaten für internationale Friedenseinsätze ab, etwa in Afghanistan oder in Mali. Und deutsche Diplomaten erfreuen sich bei ihren Kollegen, zumal denen aus Entwicklungsländern, eines guten Rufs, weil sie in der Regel auf einen belehrenden oder ruppigen Tonfall verzichten. "Deutschland hat bei den Vereinten Nationen durch sein massives Engagement eine starke Position", heißt es daher selbstbewusst aus dem Auswärtigen Amt.

Der Rat lähmt sich oft selbst

Die Kandidatur fällt jedoch in eine Epoche scharfer Rivalität der Großmächte, die geprägt ist von der unberechenbaren Politik des US-Präsidenten Donald Trump. Konflikte wie in Afrika und im Nahen Osten bis hin zu den Krisen um das Nuklearwaffenprogramm Nordkoreas und den Atomvertrag mit dem Iran werfen dunkle Schatten auf die Welt. Und was macht der UN-Sicherheitsrat? Er lähmt sich wiederholt selbst, lässt barbarische Konflikte wie in Syrien einfach treiben. "Wir leben in gefährlichen Zeiten", fasst UN-Generalsekretär António Guterres die Lage zusammen.

Was kann Deutschland erreichen?

Was könnte Deutschland in solch einer turbulenten Phase im UN-Rat erreichen? Als eines von zehn nichtständigen Mitgliedern steht die Bundesrepublik klar in der zweiten Reihe, hinter den fünf vorherrschenden Vetomächten des Gremiums. Ein Mitglied auf Abruf verfügt weder über die Macht noch die langfristigen Gestaltungsmöglichkeiten wie die ständigen Mitglieder USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien. Diese fünf können alle Beschlüsse des Rates blockieren - und ihre Sicherheitsrat-Politik steht nicht unter Zeitdruck. "Nichtständige Mitglieder hingegen müssen immer auf den Kalender schauen, in zwei Jahren können sie nicht allzu viele Ideen einbringen", erklärt Helmut Volger vom Forschungskreis Vereinte Nationen. "Zudem geht es derzeit im Sicherheitsrat zu wie in einer Erste-Hilfe-Station, es können nur die dringendsten Fälle behandelt werden. Es bleibt wenig Raum für die Profilierung nichtständiger Mitglieder."

Als Deutschland das letzte Mal am Hufeisentisch Platz nahm, 2011 und 2012, ergriff Berlin die Initiative, um Kinder in Konflikten besser zu schützen. Der Rat verabschiedete einstimmig eine von der Bundesrepublik eingebrachte Resolution, die ein härteres Vorgehen gegen Angreifer auf Schulen und Krankenhäuser vorschreibt. Zwar erntete die Berliner Diplomatie unter dem damaligen Außenminister Guido Westerwelle Anerkennung dafür. Doch entfaltete die Resolution nicht die erhoffte Wirkung: Gezielte Attacken auf Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen gehören in Kriegen wie in Syrien und Jemen mehr denn je zum blutigen Alltag.

Der Fall Libyen hängt nach

Für mächtigen Wirbel sorgte zudem Deutschlands Verhalten im Fall Libyen. Bei der Abstimmung im Jahr 2011 über eine Resolution, die zum Sturz des Diktators Muammar al Gaddafi führte, enthielt sich die Bundesrepublik. Die westlichen Verbündeten hingegen votierten dafür. Joschka Fischer, Westerwelles Vorgänger im Amt des Außenministers, wurde von "Scham für das Versagen unserer Regierung" ergriffen. Der Historiker Heinrich August Winkler dozierte, die Enthaltung sei "vermutlich der größte politische Fehler, der in den letzten Jahrzehnten in Deutschland auf außenpolitischem Gebiet überhaupt gemacht worden ist". Das deutsche Kneifen im Falle Libyens ist unvergessen, auch wenn es ohne konkrete Folgen blieb.

Ebenso folgenlos blieb allerdings auch das Streben Deutschlands nach einem ständigen Sitz im Sicherheitsrat. Jahrelang gaben deutsche Politiker und Diplomaten eifrig das Ziel vor, einen permanenten Platz im mächtigsten UN-Gremium zu ergattern. Im neuen Koalitionsvertrag heißt es dagegen, man strebe für die Zukunft einen ständigen Sitz der EU an. Aber auch das ist wohl nur ein politisches Luftschloss, denn ein Umbau des Sicherheitsrats und seiner auf der Machtarchitektur der Nachkriegsjahre beruhenden Zusammensetzung steht nicht zur Debatte. Vor zwei Jahren griff Frankreich einen Kompromissvorschlag auf, wonach die ständigen Ratsmitglieder in bestimmten Fällen freiwillig auf ihr Vetorecht verzichten sollten, darunter Kriegsverbrechen, Völkermord oder schwere Menschrechtsverletzungen. Knapp die Hälfte der 193 UN-Mitgliedsstaaten unterstützten den Vorstoß. Aber keine andere Veto-Macht wollte sich anschließen. "Da läuft nichts", erklärt Experte Volger. "Deutschland muss sich damit begnügen, alle acht bis zehn Jahre als nichtständiges Mitglied in den Rat gewählt zu werden."

(RP)
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