Wahlprogramme 2021 Was die Parteien zur inneren Sicherheit planen

Analyse | Berlin · Die innere Sicherheit bekommt im Wahlkampf bisher noch keine große Aufmerksamkeit. Dennoch ist und bleibt die Bedrohungslage durch den Extremismus hoch. Wo sehen die Parteien die größten Gefahren? Wo den dringendsten Reformbedarf? Unser Wahlprogramms-Check gibt einen Überblick.

 Kaum eine der Parteien im Bundestag stellt die Bedeutung der Polizei für die innere Sicherheit in Frage. Doch die Konzepte im Umgang mit der Polizei weichen stark voneinander ab.

Kaum eine der Parteien im Bundestag stellt die Bedeutung der Polizei für die innere Sicherheit in Frage. Doch die Konzepte im Umgang mit der Polizei weichen stark voneinander ab.

Foto: Polizei Köln

Die Union will den Staat stärken, während SPD und Grünen die große Sicherheit Deutschlands betonten. Die FDP konzentriert sich auf die Privatsphäre. Linke und AfD sehen die größte Bedrohung jeweils auf der gegenüberliegenden Seite des politischen Spektrums. Mit welchen Plänen zur inneren Sicherheit bestreiten die Parteien den Wahlkampf? Ein Überblick über die Kernpunkte aus den Wahlprogrammen:

Innenpolitik-Pläne der Union

CDU und CSU setzen auf einen „starken Staat“ und auf mehr Polizeipräsenz auf den Straßen und Plätzen. Videokameras sollen in Stadien, an Bahnhöfen, Verkehrsknotenpunkten und im öffentlichen Nahverkehr ausgebaut werden. Polizisten, Feuerwehrleute, Sanitäter und andere Einsatzkräfte sollen stärker vor Angriffen geschützt werden. Dafür will die Union die Mindeststrafe für tätliche Angriffe und heimtückische Attacken auf sechs Monate bzw. ein Jahr Haft geahndet erhöhen. Bei sexuellem Kindesmissbrauch und bei Gewalt gegen Frauen setzt man auf mehr Härte. Organisierte Bandenkriminalität soll durch engere Zusammenarbeit der Polizei- und Ermittlungsbehörden stärker bekämpft werden. Bei kriminellen Familienclans gibt die Union das Credo „Null Toleranz“ aus. Sie will Extremismus und Rassismus entschieden entgegentreten, wobei sie den Rechtsextremismus als „größte Bedrohung“ sieht. „Jede Form einer Schwächung des Verfassungsschutzes lehnen wir ab“, heißt es.

Innenpolitische Pläne der SPD

Im Vergleich zur Union nimmt die innere Sicherheit im SPD-Programm deutlich weniger Platz ein. Denn: „Deutschland ist eines der sichersten Länder der Welt.“ Die SPD sieht gute Sozial-, Arbeitsmarkt-, Kinder-, Familien- und Integrationspolitik als „Basis einer erfolgreichen Prävention“. Für ein sicheres Deutschland komme es auf gut ausgebildete und gut ausgestattete Polizisten an. Die Sozialdemokraten wollen organisierte Kriminalität bekämpfen, die Strukturen der Sicherheitsbehörden verbessern, den „Pakt für den Rechtsstaat“ fortführen - bleiben konkrete Details aber schuldig. Im Kampf gegen Extremisten und Terroristen müsse der Verfassungsschutz „die Rolle eines demokratischen Frühwarnsystems“ erfüllen, schreibt die SPD. Explizit erwähnt wird der Rechtsextremismus in Sicherheitsbehörden oder bei der Bundeswehr. Rassistischen Denkmustern im Polizeialltag will die SPD durch „mehr Supervision, Fort- und Weiterbildungen sowie guten Arbeitsbedingungen“ entgegenwirken.

Innenpolitik-Pläne der Grünen

Es fällt auf, dass die Grünen ihr Kapitel zur inneren Sicherheit fast wortgleich beginnen wie bei der SPD: „Deutschland ist grundsätzlich ein sicheres Land“. Anders als die SPD schreiben die Grünen das hohe Sicherheitsmaß aber „der guten Arbeit der Polizei“ zu. Die Grünen wollen die Polizei explizit stärken und dafür etwa eine „Offensive“ bei der Stellenbesetzung bei Bundespolizei und Bundeskriminalamt starten. Sie proklamieren für sich eine „rationale Sicherheits- und Kriminalpolitik“. Gefahren wollen sie „anlassbezogen und zielgerichtet“ abwehren, eine „pauschale Massenüberwachung“ lehnen sie ab. Aus Grünen-Sicht hat der Verfassungsschutz viel Vertrauen verspielt, vor allem durch den NSU-Komplex. Sie fordern deshalb einen einen „strukturellen Neustart“ des Verfassungsschutzes.

Innenpolitische Pläne der FDP

Die Freien Demokraten fokussieren sich auf den Schutz der Privatsphäre und lehnen eine „Totalüberwachung“ ab. Konkret richten sie sich gegen Staatstrojaner, Online-Durchsuchungen, Vorratsdatenspeicherung und Gesichtserkennung. Es soll ein „Recht auf Anonymität im öffentlichen Raum“ geben. Videoüberwachung sei „kein Allheilmittel“ - damit markiert die FDP eine klare Differenz zur Union. Sie will ein Moratorium für Sicherheitsgesetze einführen. Die Zahl der Landesämter für Verfassungsschutz soll reduziert und ein europäisches Kriminalamt eingerichtet werden.

Innenpolitik-Pläne der Linken

Die Linke stellt den Kampf gegen „rechten Terror und Gewalt“ ins Zentrum. Rechte Gruppen und Parteien würden Ängste schüren und damit „von sozialen Kämpfen für bessere Löhne und Umverteilung“ ablenken. Die Links-Partei will die „Gegenkräfte in der Zivilgesellschaft“ stärken, etwa durch ein Demokratiefördergesetz. Den Verfassungsschutz will sie abschaffen, denn: „Er ist nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems“. Stattdessen will die Linke eine unabhängige Beobachtungsstelle einführen. Zudem will sie „gegen Rassismus und Korpsgeist bei der Polizei“ eine unabhängige Beschwerde- und Ermittlungsstelle schaffen, eine Kennzeichnungspflicht von Polizeibeamten sowie eine Studie „extrem rechter Einrichtungen und rassistischer Praktiken“ bei Polizei und Bundeswehr.

Innenpolitische Pläne der AfD

Bei der AfD hat der Kampf gegen „linke Gewalt“ oberste Priorität. Die Gefahr durch den Rechtsextremismus dagegen taucht im AfD-Programm quasi nicht auf. Umso mehr Aufmerksamkeit gilt dem Vorgehen gegen Linksextremismus und „Ausländerkriminalität“. Die AfD will eine zwingende Ausweisung schon bei „geringfügiger Kriminalität“ einführen. Die Einbürgerung Krimineller will sie verhindern, indem die deutsche Staatsangehörigkeit nicht mehr durch Geburt erworben werden soll. Sicherheit basiere auf sicheren Grenzen, heißt es im AfD-Programm. Aus diesem Grund will die Partei die Bundespolizei „rechtlich, personell und technisch“ besser ausstatten. Der Verfassungsschutz, mit dem die AfD selbst zu kämpfen hat, soll reformiert werden, damit er „nicht mehr als parteipolitisches Instrument gegen politische Gegner missbraucht werden“ könne.

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