Drei Soldaten sterben in Afghanistan Bundeswehr im unerklärten Krieg

Berlin (RP). Nach dem Tod dreier Soldaten am Dienstag haben bereits 35 deutsche Soldaten im Afghanistan-Einsatz ihr Leben verloren. Jetzt fordert der Wehrbeauftragter Reinhold Robbe ein klares Bekenntnis zum Kriegseinsatz. Doch Verteidiungsminister Josef Jung will dagegen von keinem Krieg sprechen, sondern lieber von einem Einsatz für Wiederaufbau und Entwicklung.

Tote deutsche Soldaten in Afghanistan
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Foto: AP

Im Afghanistan-Einsatz haben bereits 35 deutsche Soldaten ihr Leben verloren — im Kampf oder durch Unfälle. In Deutschland ist unterdessen ist in Deutschland eine über die Strategie der Bundeswehr neu aufgeflammt. Bundesverteidiungsminister will nicht von einem Kriegseinsatz sprechen. Neben der Herstellung militärischer Sicherheit seien Wiederaufbau und Entwicklung zentrale Ziele des Einsatzes.

Dreimal mussten gestern Nachmittag Vertreter der Bundeswehr traurige Nachrichten an Angehörige in Deutschland überbringen. Drei junge Männer sind in Afghanistan ums Leben gekommen — zwei davon hatten gerade erst ihren Dienst angetreten. Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) sprach ausdrücklich von "Gefallenen". Denn nur zu gut weiß die Bundeswehrführung, dass die jungen Männer in einem unerklärten Krieg ums Leben kamen.

Bundeswehr als wunder Punkt

Angesichts der bevorstehenden Bundestagswahl und der immer stärker gegen den Auslandseinsatz gerichteten Meinung der deutschen Bevölkerung haben die Taliban die Bundeswehr als möglichen wunden Punkt in der Allianz ausgemacht. Schnell tönte ihr Sprecher gestern, dass wieder "zehn" Bundeswehrsoldaten getötet und "zwei Panzer vernichtet" worden seien.

Die Wahrheit ist tragisch genug. Nach Angaben der Bundeswehr ertranken die Soldaten wahrscheinlich, nachdem ihr "Fuchs"-Transportpanzer bei einem Ausweichmanöver in einen Wassergraben gestürzt war und sich überschlagen hatte. Zuvor waren sie in ein schweres Gefecht mit Taliban verwickelt worden. Der genaue Hergang war gestern Abend noch nicht aufgeklärt.

Soldaten wähnten sich unter Gefechtsbedinungen

Offenbar konnten sich vier Besatzungsmitglieder aus dem Fahrzeug retten. Sie hätten vergeblich versucht, ihre Kameraden zu retten, und einen schweren Schock erlitten, hieß es. Zwei der Ertrunkenen im Alter von 21 und 23 Jahren gehörten zum Panzergrenadierbataillon 391 aus dem thüringischen Bad Salzungen; der dritte war ein Fallschirmjäger aus Zweibrücken. Die jungen Leute wähnten sich möglicherweise noch unter Gefechtsbedingungen, auch wenn der Unfallort mehrere Kilometer von der Stelle des Überfalls entfernt liegt, an der die Taliban den Deutschen aufgelauert hatten. Wiederholt hatten die Kämpfer mehrere Hinterhalte hintereinander gelegt.

Auch gestern feuerten die Taliban so genannte RPG ab. Diese auch Panzerfäuste genannten raketengetriebenen Granaten können selbst gepanzerten Fahrzeugen gefährlich werden, vor allem wenn die Taliban sie in Salven abfeuern. Um diese Gefahr zu verringern, unternehmen die geschulten Bundeswehrfahrer Ausweichmanöver.

Neue Qualität der Bedrohung

Die neue Qualität der Bedrohung im lange ruhig scheinenden Nordafghanistan kommt darin zum Ausdruck, dass die Bundeswehr-Patrouille gestern nicht in der früher üblichen Formation von mehreren geschützten "Dingo"-Fahrzeugen, ein oder zwei "Füchsen" und wieder mehreren "Dingos" ausrückte, sondern in Kompaniestärke. Zusammen mit den ebenfalls eingebundenen Kräften der afghanischen Polizei und der afghanischen Armee sollen mehr als 200 Sicherheitskräfte in die Gegend von Charreh Darreh unterwegs gewesen sein.

"Die Lage wird nicht ruhiger"

Meldungen, wonach es um eine Minenräumaktion gegangen sei, bestätigten sich nicht. Vielmehr nehmen die örtlichen Kommandeure von Bundeswehr, Polizei und Armee mit Sorge zur Kenntnis, dass der Großraum Kundus sich für die Taliban zu einer Art Symbol entwickelt. Im Süden und Osten durch konsequentes Vorgehen der Isaf-Kräfte immer mehr unter Druck geraten, seien sie nun dazu übergegangen, öffentlichkeitswirksam rund um Kundus Stärke zu zeigen. Das unterstreicht auch ihre gestrige Aktion, gegen ein solches Großaufgebot von Sicherheitskräften sogar am hellen Tag zum Angriff überzugehen.

"Wir müssen uns darauf einstellen, dass die Lage rund um Kundus nicht ruhiger wird", sagte Verteidigungs-Staatssekretär Christian Schmidt. Unterdessen fordert der Wehrbeauftragte des Bundestages, Reinhold Robbe (SPD), ein klares gesellschaftliches Bekenntnis zu diesem Krieg. In der Öffentlichkeit würde "noch immer verdrängt", dass die Bundeswehr am Hindukusch Krieg führe, sagte Robbe der "Bild"-Zeitung.

"Taliban hat massiv aufgerüstet"

Der Wehrbeauftragte sprach sich trotz des erneuten Angriffs für die Weiterführung des Einsatzes aus: "Wir müssen den Menschen sagen, warum dieser Einsatz, warum diese Feuergefechte notwendig sind. Jetzt abzuziehen würde bedeuten: Alles war umsonst." Robbe warnte die Politik davor, an der Ausrüstung der Soldaten zu sparen: "Hier zu sparen, wäre absolut fahrlässig. Denn wir sehen ganz deutlich: Die Taliban haben massiv aufgerüstet."

Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung wandte sich gegen die Äußerungen Robbes, von einem Krieg zu sprechen und sagte, neben der Herstellung militärischer Sicherheit seien Wiederaufbau und Entwicklung zentrale Ziele des Einsatzes.

Die Bundeswehr hat unterdessen eine Verstärkung ihrer Truppe angekündigt. Zusätzlich zu den vergangene Woche bestellten 45 gepanzerten Fahrzeugen sollen die Soldaten in Kundus mit neuen Waffensystemen und größerer Feuerkraft ausgestattet werden. Weitere Truppenverstärkung zu den afghanischen Präsidentschaftswahlen ist ohnehin längst beschlossen.

(RP)
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