Wiederholung der Bürgermeister-Wahl Heute geht es um mehr als nur Istanbul

Istanbul · Die Istanbuler sind am Sonntag erneut aufgerufen, ihren Bürgermeister zu wählen. Für die AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan geht es um viel. Die Wahl gilt aber auch als Test für die Demokratie im Land. Bis zum Nachmittag verlief Beobachtern zufolge alles ruhig.

Die Wahllokale der türkischen 16-Millionen-Metropole öffneten am Vormittag um 8 Uhr (7 Uhr MESZ) ihre Türen.

Bis zum Sonntagnachmittag ist die Wahl weitgehend geordnet verlaufen. Das bestätigten Wahlbeobachter an den Urnen, unter ihnen die Grünen-Abgeordnete Margit Stumpp, die für den Tag nach Istanbul gereist war. Die Wahl wird national wie international aufmerksam beobachtet. „Uns wird berichtet, dass die Wahllisten und Abläufe korrekt sind“, sagte Stumpp der Deutschen Presse-Agentur. „Wir hören hier von keinerlei Unstimmigkeiten.“ Stumpp, die bereits mehrfach zur Wahlbeobachtung in der Türkei war, sagte, sie habe diesmal keine Probleme gehabt, Wahllokale zu besuchen und mit Menschen zu sprechen. Sie sprach von einer „beachtlichen Wahlbeteiligung“.

Renate Zikmund von der 14-köpfigen Beobachtermission des Europarates sagte, „alles in allem“ sei die Wahl bisher geordnet verlaufen. Ihr Eindruck sei, dass die Chefs der Wahlkomitees das nötige Rüstzeug für ihre Arbeit hätten. „Organisatorisch ist alles aufgeboten worden, was man machen kann.“ Der Europarat mit Sitz in Straßburg wacht mit dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) über die Einhaltung der Menschenrechte in den 47 Mitgliedsstaaten.

Die erste Wahl am 31. März hatte der Oppositionskandidat Ekrem Imamoglu von der Republikanischen Volkspartei (CHP) knapp gewonnen. Unter dem Druck der Regierung ordnete die Wahlkommission Anfang Mai aber die Annullierung und Wiederholung des Urnengangs an.

Bei der Wahl am Sonntag tritt der 49-jährige Istanbuler Lokalpolitiker Imamoglu nun erneut gegen Binali Yildirim von der regierenden Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) an. Der 63-jährige frühere Verkehrsminister und Ministerpräsident ist ein langjähriger Vertrauter von Präsident Recep Tayyip Erdogan. Für den AKP-Vorsitzenden steht bei der Wahl viel auf dem Spiel, da eine erneute Niederlage weitreichende Konsequenzen hätte.

Die Wahl gilt auch als Test für die Demokratie in der Türkei. Die Annullierung der ersten Wahl hatte Zweifel aufkommen lassen, dass unter Erdogan noch ein demokratischer Machtwechsel möglich ist. Die Annullierung war damit begründet worden, dass einige Wahlbüroleiter nicht wie vorgeschrieben staatliche Beamte waren. Die Entscheidung war so kontrovers, dass selbst der Leiter der Wahlkommission dagegen stimmte.

Erste Ergebnisse werden bald nach Schließung der Wahllokale um 17 Uhr (16 Uhr MESZ) erwartet. Da erneut mit einem knappen Rennen gerechnet wird, dürften belastbare Ergebnisse erst in der Nacht vorliegen. Bei der Wahl Ende März hatte sich Yildirim gegen Mitternacht zum Sieger erklärt, obwohl noch nicht alle Stimmen ausgezählt waren. Am nächsten Morgen hatte die Wahlkommission dann erklärt, dass Imamoglu vorne liege.

Für scharfe Kritik hatte damals gesorgt, dass die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu mitten in der Nacht aufgehört hatte, die Wahlergebnisse zu aktualisieren. Die CHP hat für den Urnengang am Sonntag nach eigenen Angaben 200.000 Freiwillige mobilisiert, um den Wahlablauf zu überwachen. Auch der Europarat entsendet Beobachter. Es wird mit einer hohen Wahlbeteiligung gerechnet, obwohl die Wahl mitten in die Ferienzeit fällt.

Imamoglu wird bei der Wahl von der nationalistischen IYI-Partei unterstützt, während der AKP-Kandidat Yildirim im Bündnis mit der rechtsextremen Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP) antritt. Die prokurdische Demokratische Partei der Völker (HDP) hat keinen Kandidaten aufgestellt und unterstützt stillschweigend Imamoglu. Darüber hinaus treten noch weitere Kandidaten an, doch dürften sie nur auf wenige Prozent der Stimmen kommen.

(felt/csi/AFP/dpa)
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