Afrika-Blog Besuch beim modernen traditionellen Ashanti-König

Accra (RPO). Horst Köhler hat sich bei seiner Reise nach Ghana offenbar von der afrikanischen Fröhlichkeit anstecken lassen. Bei einer Feier vor dem Präsidentenpalast in der Hauptstadt Accra tanzte der Bundespräsident ausgelassen zu afrikanischen Rhythmen - und wirbelte sogar gemeinsam mit dem ghanaischen Präsidenten John Kufuor über die Tanzfläche.

Freitag, 12. Januar 2007

Nach dem Gespräch mit dem Staatspräsident John Agyekum Kufuor ging es am Donnerstagabend zurück ins Hotel, wo alle — der Bundespräsident Horst Köhler wohl auch — sich in rasender Eile umzogen, und dann mussten wir schon wieder los in Richtung International Conference Centre zum Staatsempfang.

Interessant ist übrigens, dass der ghanaische Staatspräsident von einem alten Sklavenfort aus regiert. Es handelt sich um die einfach nur "The Castle" genannte Burg, die jedoch auch als Christiansbourg Castle bekannt ist und 1661 von Dänen gebaut wurde.

Im Hof steht ein Mini-Bungalow, durch den die Sklaven in unterirdische Gänge gelangten und von dort durch die "door of no return", die Pforte ohne Wiederkehr, in die neue Welt geschickt wurden. Im 20. Jahrhundert spielte das Castle insofern eine wichtige Rolle für die Geschichte Ghanas, als ghanaische Veteranen des Zweiten Weltkriegs dort 1948 gegen die Kolonialherrschaft der Briten demonstrierten: Die Kolonialregierung ließ auf die Demonstranten schießen, tötete drei und verletzte weit über 200 Menschen.

Diese Ereignisse werden gemeinhin als wichtig für die weitere politische Entwicklung des Landes bis zu seiner Unabhängigkeit im Jahr 1957 als erstes afrikanisches Land, aber auch für die Unabhängigkeit aller britischen Kolonien in den folgenden 15 Jahren betrachtet. — Derzeit baut der Präsident einen neuen Regierungspalast — dem Vernehmen nach nicht zuletzt wegen der Geschichte als Sklavenkastell.

Der Grund: Der Wüstenwind Harmattan (der jedes Jahr zwischen November und März feinsten Sahara-Staub in alle erdenklichen und nicht-erdenklichen Ritzen weht) bläst derzeit sehr stark. Dadurch ist es diesig und die Sicht so schlecht, dass Maschinen auf dem nationalen Flughafen von Kumasi nur laden können, wenn sie sich auf ihre eigene Sicht verlassen. — Und das wollten die Piloten nicht riskieren… Für uns hieß das konkret: Wir verpassen den Besuch des Bundespräsidenten beim Ashanti-König und auch das Fest, das nach der Begegnung stattfinden sollte.

Die Könige sind auch in die Kirche eingebunden: Als der Geschäftsmann und König starb, kamen dem Professor zufolge sämtliche Kirchenmänner zur Beerdigung — und das, obwohl diese nach traditionellem Ritus abgehalten wurde.

Insgesamt liegen in Afrika das moderne Leben und alte Gewohnheiten oft nah beieinander: So haben manche Menschen Narben im Gesicht, die noch aus der Zeit stammen, als sie Babys waren — und sind eigentlich ein Überlebenszeichen: Hintergrund ist, dass sie geboren wurden, nachdem ihre Eltern bereits mehrere Kinder verloren hatten. Die Narben sollten sie hässlich machen und so die Geister des Todes davon abhalten, sie wie ihre toten Geschwister mitzunehmen.

Oder: Kinder werden erst eine Woche nach der Geburt getauft, weil sie erst dann als echte Menschen gelten — vorher ist die Angst zu groß, dass die Geisterkinder sind, die nur auf die Erde gekommen sind, um die Eltern zu quälen, aber dann wieder gehen (sterben). Davon gibt es viele Beispiele auch aus anderen afrikanischen Ländern, aber auch aus Deutschland, z.B. dass Schauspieler sich über die Schulter spucken und Hals- und Beinbruch wünschen oder dass Menschen regelmäßig Horoskope lesen.

Aber zurück zum König der Ashanti, Otumuo Osei Tutu II, dem 16. Asantehene, der seit 1999 auf dem Thron sitzt. — Bei uns gab es noch viel Hin und Her — fliegen oder nicht — schließlich aber mussten wir bleiben. Der Bundespräsident hat uns aber abends noch ein bisschen erzählt, wie es war: Es waren viele andere Ashanti-Würdenträger gekommen, in traditionelle Gewänder aus Kente-Stoff (eine besondere, handgewebte Stoffart) gekleidet, ausgestattet mit großen Schirmen gegen die gleißende Sonne, mit goldenen Ketten und Armbändern. Es gab Tanz, Musik und einfach wahnsinnig viel zu sehen.

Herr Köhler war sehr beeindruckt vom Asantehene, der Tradition und Moderne in seiner Person vereinigt: Auf der einen Seite hat er in Großbritannien studiert, ist Geschäftsmann, auf der anderen Seite ist er traditioneller König der Ashanti. Und er hat klare Vorstellungen davon, wie Entwicklungszusammenarbeit aussehen soll, zum Beispiel: Es reicht nicht, wenn westliche Geldgeber eine Schule bauen — sie müssen auch mit den Menschen vor Ort zusammenarbeiten, um eine gute Ausbildung für Lehrer zu garantieren, die wiederum eine gute Ausbildung für die Schüler sicherstellen soll.

Am Abend war dann die offizielle Eröffnungsfeier des Afrika-Forums. Wahnsinnig spannende Angelegenheit, weil man, wohin man auch sah, Prominente aus afrikanischen Ländern sah: zunächst einmal die vier Präsidenten aus Nigeria, Liberia, Botswana und Ghana (der Staatschef Benins kam erst am nächsten Tag), dann den Chef der Kommission der Afrikanischen Union, Alpha Oumar Konaré, den nigerianischen Literatur-Nobelpreisträger Wole Soyinka, die senegalesische Schriftstellerin Fatou Diome, die Modeschöpferin Oumou Sy, ebenfalls aus dem Senegal, den früheren ghanaischen Fußballspieler Anthony Baffoe (der u.a. für Fortuna Düsseldorf und den 1. FC Köln spielte), der ghanaische Außenminister…

Am Anfang des Abends standen natürlich Reden der beiden gastgebenden Präsidenten Köhler und Kufuor (Ghana), danach blieb (mir) noch ein bisschen Zeit, sich mit einigen Teilnehmern des Forums, mit Wole Soyinka und dem Staatspräsidenten von Ghana zu unterhalten — bevor es, wie immer in allerhöchste Hetze und mit der unterschwellig immer vorhandenen Angst, irgendwann mal das Auto zu verpassen, in die Wagen für den Konvoi gescheucht wurde.

Ein Kollege erzählte, ein anderer Kollege habe mal bei einem Ministerbesuch in den USA in Washington seine Gruppe verloren: Er stieg in den falschen Aufzug ein, und als er am Ausgangspunkt zurück war, war die Gruppe schon im Flieger — mitsamt seinen Papieren, denn die werden zu Anfang solcher Reisen von Mitarbeitern des Auswärtigen Amtes eingesammelt, die sich dann um die Formalitäten kümmern… Er musste dann (USA!!) mehr oder weniger aus dem Land geschmuggelt werden.

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