Assads Armee stürmt Rebellen-Stadt

Nach wochenlanger Belagerung erobern regimetreue Truppen das Viertel Baba Amro in Homs. Die Hochburg der Opposition ist damit wieder unter Kontrolle des syrischen Diktators. Gleichzeitig werden Waffenlieferungen an die Rebellen wahrscheinlicher. Deren Exil-Führung gab grünes Licht.

Homs/Düsseldorf Die wenigen erfahrenen Kämpfer unter den Verteidigern der syrischen Stadt Homs hatten die Schlussoffensive bereits seit Tagen erwartet. Nach fast vier Wochen Artillerie-Beschuss war es gestern dann so weit: Die Truppen von Machthaber Baschar al Assad rückten mit Panzern vor und stürmten das seit Wochen vor allem von desertierten Soldaten gehaltene Stadtviertel Baba Amro. Die nur leicht bewaffneten Rebellen hatten der Militärwalze der Assad-Armee nicht viel entgegenzusetzen. Als den 1000 bis 1500 Kämpfern dann auch noch die Munition ausging, mussten ihre Anführer den Rückzug befehlen.

Das syrische Staatsfernsehen jubelte, nun werde Baba Amro Haus für Haus von "Terroristen" gesäubert – eine Ankündigung, die unter den rund 4000 Bewohnern, die trotz der Kämpfe in dem Viertel ausgeharrt hatten, die Angst vor Racheakten der Assad-Truppen schürte. Als würden die Menschen nach wochenlanger Belagerung nicht schon genug leiden: Viele Gebäude haben schwere Granattreffer erhalten; die Versorgung mit Strom, Treibstoff und Heizmaterial ist zusammengebrochen. Auch Lebensmittel und Medikamente werden knapp. Am meisten aber fehlt Wasser. Regimegegner veröffentlichten im Internet Videoaufnahmen, die zeigen, wie Menschen auf der Straße Töpfe aufstellen, um darin Schneeflocken aufzufangen, um Trinkwasser zu gewinnen.

Die militärische Schlappe der in der "Freien Syrischen Armee" (FSA) zusammengeschlossenen Kämpfer gegen das Assad-Regime befeuerte unmittelbar die Debatte über mögliche Waffenlieferungen an die Rebellen. Der Übergangsrat der Opposition gründete gestern in Paris einen "Militärrat", um militärische Hilfe von Staaten, die mit der Revolution in Syrien sympathisieren, zu koordinieren. So hatten einige Golfmonarchien bereits angekündigt, dass sie dem Wüten der Assad-Truppen nicht mehr tatenlos zuschauen würden, und auch die Lieferung von militärischem Gerät in Aussicht gestellt. Der Vorsitzende des Syrischen Nationalrates, Burhan Ghaliun, betonte, die Opposition habe sich die Entscheidung, neben den Demonstrationen auch die militärische Option zu unterstützen, nicht leichtgemacht. Ziel sei es nicht, einen Bürgerkrieg zu führen, sondern Chaos zu verhindern. "Es gibt Staaten, die gesagt haben, sie wollten Waffen an die Opposition liefern. Damit dies nicht direkt und ohne Kontrolle geschieht, soll alles über diesen Rat laufen", erklärte Ghaliun.

Dass die Opposition jetzt versuchen will, die Aufrüstung der FSA-Kämpfer zu koordinieren, hat mit der Sorge zu tun, am Ende könnten in Syrien ähnlich wie in Libyen zahlreiche unkontrollierbare Milizen entstehen, die nur noch auf eigene Rechnung kämpfen. Schon heute werden in kleineren Mengen Waffen ins Land geschmuggelt, vor allem über die libanesische Grenze. Die Nachfrage hat die Preise auf den Schwarzmärkten der Region bereits kräftig anziehen lassen.

Die meisten Waffen in den Händen der Rebellen haben diese aber selbst mitgebracht, als sie aus der Armee desertierten. Über die Stärke ihrer meist in kleinen Trupps operierenden Verbände gibt es aber nur Spekulationen. Bis zu 40 000 Mann kämpfen angeblich inzwischen gegen Assad. Wie sie ausgerüstet sind, wie es um die Kommandostrukturen dieser Guerilla steht, das weiß aber auch der Oppositionsrat nicht.

Das neue Militärbüro, das nach Darstellung der Exil-Opposition wie ein Verteidigungsministerium arbeitet, dürfte aber auch mit politischen Hintergedanken gegründet worden sein. Denn mit Sorge sehen viele syrische Oppositionelle, wie sich die konservativen arabischen Golfstaaten mit ihrer Hilfe für die Kämpfer vor Ort für die Zeit nach dem erhofften Sturz des Regimes in Stellung bringen. Der Kampf gegen Assad ist längst auch schon ein Kampf um späteren Einfluss in Syrien geworden. Dass der Übergangsrat sich dabei möglichst viele Optionen offenhalten will, zeigen auch die dieser Tage bekannt gewordenen Kontakte einiger Oppositionsführer nach Israel.

Assad kämpft unterdessen weiter um den Erhalt seiner Macht und schreckt dabei auch vor Gräueltaten nicht zurück. So mehren sich Berichte über systematische Folter an mutmaßlichen Sympathisanten der Opposition. Opfer berichten von Verstümmelungen durch Polizisten oder Gefängnispersonal. Offenbar lassen sich selbst Mediziner als Folterknechte des Regimes einspannen. Das bestätigte jetzt auch die Organisation Ärzte ohne Grenzen. "Medizin wird als Mittel zur Verfolgung eingesetzt", sagte deren Vorsitzende, Marie-Pierre Allié.

(RP)
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