Piotr Anderszewski spielt Klavierfantasien

Klassik Irgendein Mensch hat hier den tiefen Schlaf der Gerechten erlebt. Es müssen alle Warnlampen und Signalhupen dieser Welt angegangen sein, aber der Mensch hat sie übersehen und überhört. So hat eine der schönsten Platten der jüngsten Zeit diesen Makel, den man natürlich übersehen kann und darf, aber jedes Kind weiß doch, dass Mozarts Fantasie in c-Moll steht und nicht in C-Dur. Und dass auch die parallele Klaviersonate in c-Moll steht und nicht in C-Dur.

Klassik Irgendein Mensch hat hier den tiefen Schlaf der Gerechten erlebt. Es müssen alle Warnlampen und Signalhupen dieser Welt angegangen sein, aber der Mensch hat sie übersehen und überhört. So hat eine der schönsten Platten der jüngsten Zeit diesen Makel, den man natürlich übersehen kann und darf, aber jedes Kind weiß doch, dass Mozarts Fantasie in c-Moll steht und nicht in C-Dur. Und dass auch die parallele Klaviersonate in c-Moll steht und nicht in C-Dur.

Das Cover aber bietet lauter Fehlinformationen. Und auch hinten im Booklet gehen die Tongeschlechter quer durcheinander. Man möge dies alles dieser Aufnahme nicht anrechnen, sie ist nämlich großartig. Der polnische Pianist Piotr Anderszewski, der eher zu den Leisen seiner Zunft zählt, hat auf seiner neuen Platte zwei große Komponisten - nein, nicht gegeneinander in Stellung gebracht, sondern miteinander kommunizieren lassen. Also: Wie viel Schumann steckt bereits in Wolfgang Amadeus Mozarts grandioser c-Moll-Fantasie, und wie viel klassischen Geist borgt sich Robert Schumanns große C-Dur-Fantasie bei Mozart? In beiden Werken geht es um Form und Freiheit, Poesie und Prozess, Reife und Aufbruch.

Diese beiden Hauptwerke bekommen kostbare Sekundanten, bei Mozart ist es jene c-Moll-Sonate, bei Schumann sind es die "Geistervariationen" Es-Dur, dieses von mancherlei Geheimnissen umwitterte Spätwerk: das letzte Opus, das er vor seiner Einweisung in die Psychiatrie in Bonn-Endenich komponierte. Angeblich sei Schumann zu dem Thema visionär von Mendelssohn und Schubert animiert worden, notierte Clara. Anderszewski ist hier ohne Zweifel ein Entdecker von Musik.

Er spürt selbst in der bekannten Mozart-Fantasie noch kostbare Verläufe auf, das Ganze atmet den Reiz des Besonderen. Dabei spielt der polnische Musikus in keiner Sekunde Richtung Effekt und Glamour, er besitzt ein intuitives Gespür für das Richtige. Das hat viel mit Geschmack, mehr noch mit Stilbildung und auch Ausdruckslust zu tun. Neben dem geradezu konspirativen Mozart hat Anderszewkis Schumann gottgegebene Ruhe und spektakuläre Leidenschaft zugleich.

Aber es sind keine Stürme an der Oberfläche, sondern tief in der Musik. Wolfram Goertz

(RP)
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