Die Berufsaussichten der Absolventen Der lange Weg zum festen Job

Düsseldorf (RP). Die Geisteswissenschaften stehen im Ruf, Studenten über schöngeistige Umwege in die Arbeitslosigkeit zu führen. Die Statistik scheint den Verdacht zu bestätigen: Die Arbeitslosenquote für Germanisten, Historiker oder Anglisten liegt bei etwa sechs Prozent, zwei bis drei Prozent oberhalb des Durchschnitts aller Akademiker.

Auch bei der Bezahlung haben sie schlechtere Aussichten als die Naturwissenschaftler-Kollegen. Während Wirtschaftsingenieure mit einem Durchschnittsgehalt von 3228 Euro brutto ins Berufsleben starten, liegt das durchschnittliche Einstiegsgehalt von Geisteswissenschaftlern bei unter 2000 Euro.

Damit nicht genug: Geisteswissenschaftler haben auch schlechtere Aussichten auf eine sichere berufliche Zukunft. Der Wissenschaftsladen Bonn hat zusammen mit der Zentralstelle für Arbeitsvermittlung die Stellenanzeigen der Jahre 2000 und 2006 verglichen. Ergebnis: 14 Prozent aller Stellen für Geisteswissenschaftler waren im Jahr 2000 zeitlich befristet; 2006 waren es über als 21 Prozent.

Kein konkretes Berufsziel

"Geisteswissenschaftler studieren im Gegensatz zu Medizinern oder Ingenieuren nicht unbedingt auf ein konkretes Berufsziel hin. Sie müssen sich oft ihren Arbeitsmarkt erschließen", sagt Michael Weegen, Leiter des Infosystems Studienwahl und Arbeitsmarkt an der Uni Essen-Duisburg. Das dauert. Oft vergehen Jahre, bis Geisteswissenschaftler in einer unbefristeten Vollzeitstelle angelangt sind. Darum plädiert der Forscher dafür, an den Unis stärker interdisziplinär auszubilden, die Studierenden also durch das Fächerangebot dazu zu bringen, sich Gedanken über ihr späteres Profil zu machen.

Kombinationen wie Kunst oder eine Sprache mit Betriebswirtschaftslehre, wie sie heute in kulturwissenschaftlichen Studiengängen - etwa zum Kulturwirt - angeboten werden, seien ein gutes Beispiel. Die Absolventen solcher Studiengänge könnten betriebswirtschaftliche Grundkenntnisse vorweisen, wenn sie sich bei einem Unternehmen in Konkurrenz zu Wirtschaftswissenschaftlern bewürben.

Konkurrenz zu Wirtschaftswissenschaftlern

Immer mehr Geisteswissenschaftler versuchen das. Gerade im Bereich Marketing, Kundenbetreuung, Personalentwicklung und Unternehmenskommunikation gibt es Einsatzmöglichkeiten. "Geisteswissenschaftler lernen während des Studiums, sich schnell und gründlich in fremde Sachverhalte einzuarbeiten und auch einmal gegen den Strich zu denken", sagt Rüdiger Booz, Personalchef bei Renault.

Er selbst hat Geschichte studiert und findet, dass sein Studium ihm für seine aktuelle Tätigkeit nützt. "Geschichte untersucht gesellschaftliche Phänomene in einer historischen Langzeitstudie. So kann man am historischen Beispiel beobachten, wie sich Eliten entwickeln, und daraus nützliche Erkenntnisse für die Personalentwicklung in einem Unternehmen ziehen."

Booz räumt geisteswissenschaftlichen Bewerbern in Industrieunternehmen durchaus Chancen ein. Allerdings nur solchen, die auch bereit seien, sich auf betriebswirtschaftliches Denken einzustellen. "Bei uns kommen 150 bis 200 Bewerber auf eine Stelle, da sind auch genug BWL'er drunter, denen man zu Statistik nichts mehr erklären muss", sagt Booz.

Also doch gleich Wirtschaftswissenschaften studieren? Bildungsforscher raten davon ab. Wer sich zu einer Geisteswissenschaft berufen fühle, solle seiner Neigung folgen und werde dann auch gute Leistungen bringen. Selbst die Statistik bietet Geisteswissenschaftlern einen Trost: Zwar liegen sie mit einer Arbeitslosenquote über dem akademischen Durchschnitt, aber doch weit unter der allgemeinen Erwerbslosenquote von 9,6 Prozent.

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