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Stockholm Nobelpreis für Mikroskopie-Technik

Stockholm · Wissenschaftler haben ein Verfahren entwickelt, das Biomoleküle im Detail sichtbar macht.

Physik-Nobelpreis 2017: Die Entdecker der Gravitationswellen
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Nobelpreis – die Entdecker der Gravitationswellen

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Foto: dpa, st ks htf

Die Superlative, die gestern während der Verkündigung des Chemie-Nobelpreises benutzt wurden, kennen kaum Grenzen. Die Kyro-Elektronenspektroskopie ist zwar erst vier Jahre alt, aber sie wird bereits als Revolution in der Biochemie gefeiert. Diese neue Technik liefert Bilder, auf die die Biologie lange gewartet hat, denn sie erreicht eine kaum vorstellbare Genauigkeit. Die Proteine, die im Körper arbeiten, sind winzig klein. Rechnet man ihre Größe auf die eines Menschen um, so wäre es mit diesem Mikroskop möglich, von der Erde aus einen Astronauten bei einem Spaziergang auf dem Mond zu beobachten. "Bald wird es in den Zellen unseres Körpers keine Geheimnisse mehr geben", sagte Sara Snogerup Linse, Vorsitzende des Nobel-Komitees.

Der Fortschritt, den die Wissenschaftler damit erreichen, lässt sich anhand der Entwicklung der Fotografie beschreiben. Schon vor 70 Jahren konnten Biologen mittels Röntgenstrahlung die ersten Bilder von Biomolekülen machen. Die damaligen Möglichkeiten entsprechen einem Fotografen, der seine Protagonisten nicht in ihrem Umfeld fotografieren kann, sondern sie zwingt, im Studio lange in einer Pose zu stehen. Die nächste Generation ermöglichte zwar Bilder im realen Umfeld, bei denen sich aber niemand bewegen durfte, und die Einzelheiten des Fotos trotzdem unscharf blieben. Jetzt können die Forscher eine Serie von Bildern erstellen, die Proteine zeigen, während sie Arbeitsschritte erledigen. Sie können jedes einzelne Atom sehen und durch den Vergleich verschiedener Bilder ermitteln, wie sich ein Protein bewegt und seine Struktur verändert, während es seine Aufgabe erfüllt. Die Wissenschaftler erhoffen sich, dass sie schneller und leichter verstehen, wie biochemische Prozesse im Körper ablaufen.

Die Ausrüstung für das Mikroskop füllt einen kompletten Raum, dessen Boden ein hohes Gewicht aushalten muss. "In ganz Schweden gibt es erst zwei Universitäten, die damit arbeiten", sagte Sara Snogerup Linse. Doch die Forscher, die die neue Technik anwenden, haben rasch Erfolg. Sie geben der Biologie Bilder, die lange vermisst wurden. Als sich vor zwei Jahren das Zika-Virus in Südamerika ausbreitete, lieferte die Kyro-Elektronenmikroskopie binnen drei Monaten ein präzises Bild von der Struktur des neuen Virus. Einem Forscherteam in den USA ist eine Aufnahme gelungen, die zeigt, wie Salmonellen ihre Giftstoffe in die Zellen ihres Wirts übertragen, der dadurch erkrankt. Eine andere Gruppe hat die Proteine untersucht, die im Ohr auf den Schall reagieren und ihn in Nervenimpulse verwandeln. Je besser das Wissen über solche Prozesse, desto einfacher wird es, sie nachzubauen oder Krankheiten zu verhindern.

Die drei Preisträger haben auf unterschiedliche Art zu dem neuen Verfahren beigetragen. Der Brite Richard Henderson hat in den 1970er Jahren an der Universität Cambridge als Erster mit Hilfe der Elektronenmikroskopie eine sehr grobe Struktur eines Proteins ermittelt. Er war schon damals überzeugt, dass diese Methode auch sehr feine Details auf atomarer Ebene zeigen könnte und entwickelte sie weiter. Joachim Frank lieferte Anfang der 1980er Jahre in New York das theoretische Rüstzeug. Er entwickelte einen Computer-Algorithmus, der die zweidimensionalen Bilder der Elektronenmikroskopie in eine dreidimensionale Projektion umwandelte. Jacques Dubochet sorgte dafür, dass menschliche Zellen überhaupt untersucht werden können. Denn lange Zeit hatte das Verfahren ein Problem: Die Forscher müssen die Zellen entweder im Vakuum untersuchen oder aber einfrieren. Doch beide Methoden zerstören das wasserhaltige Material. Entweder brach die gesuchte Struktur im Vakuum zusammen, oder sie wurde durch die Bildung von Eiskristallen zerstört. Der Schweizer erfand eine Art Schockgefriervorgang, bei dem das Material so geschickt und schnell abgekühlt wird, dass es seine Struktur nicht mehr verändern kann. Insgesamt dauerte die Entwicklung vier Jahrzehnte, denn es gab lange Zeit keinen Detektor, der ultrafeinen Signale mit der nötigen Qualität aufnehmen konnte.

(rai)
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