So ist der neue „Tatort“ aus Berlin Solo für Karow

Berlin · Nina Rubin ist tot, die neue Kollegin noch nicht da: Kommissar Karow ermittelt in „Das Opfer“ also alleine. Es ist ein vielschichtiger, spannender und zugleich sehr melancholischer Fall.

ARD/rbb TATORT: DAS OPFER, am Sonntag (18.12.22) um 20:15 Uhr im ERSTEN. Darsteller Mark Waschke als Kommissar Robert Karow.

ARD/rbb TATORT: DAS OPFER, am Sonntag (18.12.22) um 20:15 Uhr im ERSTEN. Darsteller Mark Waschke als Kommissar Robert Karow.

Foto: rbb/Stefan Erhard

Dramatischer hätte Meret Beckers Abschied vom „Tatort“ und ihrer Figur Nina Rubin in der letzten Folge aus Berlin nicht sein können: Nach einem waschechten Showdown wird sie von Schüssen getroffen und stirbt in den Armen ihres Kollegen Robert Karow (Mark Waschke). Tiefschwarze Nacht, Regen, Traurigkeit, ein grandioses Finale für dieses außergewöhnliche Team. Kaum davon erholt, geht es für Karow und den geneigten Zuschauer schon wieder um einen Mord aus dem direkten Umfeld des Kommissars. Und wieder ist es ein Fall, der an die Nieren geht – wie bei „Das Mädchen, das allein nach Haus geht“ und überhaupt so häufig bei diesem Berliner Team allerdings im allerbesten Sinne.

Da stört es nicht einmal, dass Karow mal wieder zu einem Alleingang ansetzt – ein beliebtes, aber selten stimmig erzähltes Sonntagabendkrimi-Motiv. Im Wald wird nämlich ein alter Bekannter des Kommissars tot aufgefunden, ein Schuss in die Stirn, Milieu-Hinrichtung ist die erste Vermutung. Maik Balthasar (Andreas Pietschmann) arbeitete als verdeckter Ermittler, hatte sich gerade erfolgreich ins Umfeld des zwielichtigen Barbesitzers Mesut Günes (Sahin Eryilmaz) eingeschleust.

Dessen Fingerabdrücke finden sich denn auch prompt auf der Tatwaffe – aber Karow ist das alles zu schlicht, zu offensichtlich. 30 Jahre lang haben er und Balthasar sich nicht gesehen, trotzdem bekommt er einen geheimnisvollen Brief von dessen Witwe – und ermittelt schließlich auf eigene Faust, gegen den Willen von Staatsanwältin Sara Taghavi (Jasmin Tabatabai).

Dieser Fall ist für Karow – den Mark Waschke hier vielleicht so gut wie nie zuvor spielt – aber auch eine Reise in seine Vergangenheit. Denn der Tote ist ein Jugendfreund, dem er einmal sehr nah war. Und endlich erfährt der Zuschauer mehr über die Geschichte des oft so schroffen, unnahbar wirkenden Kommissars. Und diese lässt ihn – auch dank der tollen, weichen Bilder von Kameramann Markus Nestroy – noch einmal in einem anderen Licht erscheinen.

Die spannende Ermittlung der Gegenwart wird immer wieder durchbrochen von Rückblenden in die Vergangenheit, ausdrucksstark, emotional, aber nie rührselig. Drehbuchautor Erol Yesilkaya und Regisseur Stefan Schaller, die auch schon für den Grimme-Preis-prämierten Berliner Fall „Meta“ verantwortlich zeichneten, gelingt mit „Das Opfer“ erneut ein großer Wurf. Einerseits spannender Krimi, andererseits melancholisches Drama, das berührt, aber nie ins Schmalzige abrutscht. Dazu gehört erneut auch der Aspekt der Nicht-Heterosexualität Karows (dass er schwul ist, darauf will man sich beim ausstrahlenden Sender RBB ja bisher nicht festlegen), der aber gewohnt unaufgeregt und diesmal besonders zart inszeniert wird.

Dass dieser Krimi so herausragend ist, liegt aber nicht nur an Mark Waschke, sondern auch am restlichen vielschichtigen Figurentableau, das ohne Klischees auskommt und zudem bis in kleine Nebenrollen glänzend gespielt wird. Andreas Pietschmann als Maik Balthasar, Sahin Eryilmaz als Günes und auch die jungen Maik (Laurids Schürmann) und Robert (Jona Levin Nicolai) überzeugen auf ganzer Linie. Ein tolles Solo für Karow, aber eben nicht nur – und deshalb so gelungen.

„Tatort: Das Opfer“, Das Erste, 20.15 Uhr

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