Tatort „Niemals ohne mich" Beim Thema Unterhalt liegen die Nerven bei allen blank

Köln · Im „Tatort“ aus Köln geht es um einen Vater und die Frage nach dem Unterhalt. Es sind vor allem menschliche Schicksale, die im Mittelpunkt stehen. Ein packendes Drama.

 Die Kölner Kommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt, l.) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) auf dem Weg zu einer Befragung.

Die Kölner Kommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt, l.) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) auf dem Weg zu einer Befragung.

Foto: WDR/Martin Valentin Menke

Beim Rainer Hildebrandt (Peter Schneider) liegen die Nerven seit Monaten blank. Nach einer teuren Scheidung und dem Verlust seiner Arbeit wohnt der Mittvierziger in einer kleinen Sozialwohnung. Seine Ex-Frau lebt mit ihrem neuen Freund in einer schicken Villa und führt Hildebrandt gern ihren neuen Reichtum vor. Hildebrandt zahlt Unterhalt für die gemeinsamen Kinder, aber darf die Kleinen nur selten sehen. Von den gemeinsamen Nachmittagen holt seine Ex die Kinder absichtlich viel zu früh ab. Dann gibt es Geschrei im Hausflur, die Kinder weinen, die Nachbarn hören alles mit.

Im Jugendamt fleht Hildebrandt die Sachbearbeiterin Monika Fellner (Melanie Straub) an, endlich das Sorgerecht für seine Kinder zu bekommen. Als Fellner ihn abserviert, rastet der Vater aus und wird handgreiflich. Der Sachbearbeiterin gelingt es gerade noch, den Übergriff mit dem Handy zu filmen. Am nächsten Morgen wird die Frau dann tot aufgefunden.

Die Kölner Kommissare Ballauf (Klaus Jürgen Behrendt) und Schenk (Dietmar Bär) haben natürlich sofort Hildebrandt unter Verdacht. Doch abgesehen vom tätlichen Angriff am Vortag haben sie keine rechten Beweise. Langsam finden sie zudem heraus, dass es im Amt einige Ungereimtheiten gibt. So scheint der Amtsleiter Martin Breitenbach (Christian Erdmann) einige der frisch geschiedenen Mütter auch privat recht gut zu kennen. Und hier und dort auch mal ganz unbürokratisch Bargeld zu verteilen, das in keinen Amtsbüchern auftaucht.

Hintergrund des sehenswerten Kölner Falls „Niemals ohne dich“ ist einer Änderung im Unterhaltsrechts aus dem Jahr 2017. Das Jugendamt springt seitdem mit einem Vorschuss ein, wenn der Unterhaltspflichtige für Kinder unter 18 Jahren gar nicht oder nur unvollständig zahlt. Fälle wie diese gibt es in Deutschland viele. Schätzungen zufolge kommt nur jeder vierte Unterhaltszahler seinen Verpflichtungen vollständig und verlässlich nach. In vielen Fällen bleiben die Jugendämter für lange Zeit auf den Ausgaben sitzen, weil das Personal fehlt, um den staatlichen Vorschuss bei den säumigen Zahlern wieder einzutreiben.

Es sind aber vor allem menschliche Schicksale, die im Film von Nina Wolfrum (Regie) und Jürgen Werner (Buch) im Mittelpunkt stehen. Es geht um alleinerziehende Mütter, die in Not geraten, wenn in der Schule die erste Stunde ausfällt und sie das Kind mit zur Arbeit nehmen müssen. Und um Väter, die offiziell geringbeschäftigt sind und nebenbei schwarz arbeiten gehen, nur damit das Amt keine Forderungen an sie stellen kann. Und es geht um Kinder, die für diese Dramen nichts können, aber natürlich am meisten darunter leiden.

Die Kommissare halten sich in diesem Film angenehm zurück. Zwar kommt auch dieser Kölner Fall nicht ohne die unvermeidliche Szene an der Wurstbude oder die Ausfahrt im konfiszierten Zuhälterschlitten aus. Und natürlich versteht die gute Seele Schenk nicht, warum das Jugendamt so genau aufs Geld schaut, während Ballauf verkündet, dass sich nun mal alle an die Regeln halten sollen. Der Streit über soziale Fragen („Mensch, Freddy, jetzt sieh das doch mal von der anderen Seite...!“)  zwischen den Kommissaren fällt aber zum Glück kurz aus. Schauspielerisch hinterlässt vielleicht Karen Dahmen als betroffene Mutter den größten Eindruck. Die Szenen, in denen sie früh morgens in einem Versandhandel schuftet, während ihre Tochter in der kalten Halle auf sie warten muss, bis die Schule endlich losgeht, sind bewegend.

Und so gibt es am Sonntag einen Krimi im Ersten zu sehen, der ein großes soziales Problem von vielen Seiten beleuchtet – und versucht, Verhalten zu erklären. Dies gilt sogar für den Vater, der wenig Geld hat, seine Ex-Freundin hasst und das Kind, für das er zahlen soll, so gut wie nie sehen darf. Dass es dabei noch gelingt, einen spannenden Krimi mit vielen Wendungen und einem überraschenden wie schockierenden Ende zu schaffen, ist wahrlich beachtlich.

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