„Polizeiruf 110“ aus Rostock Halt dich an deiner Liebe fest

Rostock · „Keiner von uns“ ist der letzte Rostocker „Polizeiruf“ mit Charly Hübner als Sascha Bukow. Dieser Abschied ist jammerschade und traurig – und vielleicht dennoch genau richtig. Seine Nachfolgerin steht schon fest.

 Henning Röder (Uwe Preuss, v.l.), Volker Thiesler (Josef Heynert), Katrin König (Anneke Kim Sarnau) und Sascha Bukow (Charly Hübner) in einer Szene des „Polizeiruf 110: Keiner von uns“.

Henning Röder (Uwe Preuss, v.l.), Volker Thiesler (Josef Heynert), Katrin König (Anneke Kim Sarnau) und Sascha Bukow (Charly Hübner) in einer Szene des „Polizeiruf 110: Keiner von uns“.

Foto: dpa/Christine Schroeder

In der Regel läuft es so: Journalisten dürfen Fernsehfilme vorab komplett sehen, um sie dann vernünftig ankündigen zu können. Um eine Guck-Empfehlung abzugeben oder eben eine Warnung auszusprechen. Beim neuen „Polizeiruf“ aus Rostock, ist die Lage anders. 73 von 90 Minuten – mehr gibt es vorab auch für Journalisten nicht. Denn: Charly Hübner, der seit 2010 Ermittler Alexander „Sascha“ Bukow gespielt hat, steigt aus dem Sonntagabendformat aus. Und damit ganz sicher nichts durchsickert, damit ganz sicher niemand spoilert und das Wie des Abgangs verrät, ist der Sender rigoros.

Dabei ist das fast ein bisschen Quatsch – denn wer Fan ist von den Rostocker Ermittlern, speziell von Sascha Bukow und Katrin König (Anneke Kim Sarnau), der braucht eigentlich ohnehin gar keinen Inhaltsappetithappen. Dem reicht die bloße Ankündigung. Schließlich zeigt kein anderes Sonntagabendgespann raue, kantige, vom Leben beschädigte Figuren gleichzeitig so irre sanft und mit so viel Gefühl, dass es beim Zusehen fast schmerzt. Doch dazu später.

"Einer von uns" hieß 2010 der erste "Polizeiruf 110", in dem Sascha Bukow und Katrin König zusammen ermittelten, "Keiner von uns" heißt nun der letzte gemeinsame Fall, und schon die Titel-Ähnlichkeit zeigt: Mit Hübners letztem Fall wird der Bogen zurück in die Vergangenheit des Kommissars geschlagen. Sein Vater war der Oberboss der Rostocker Unterwelt, Bukow wurde dort sozialisiert, kennt alle und alles – und er ist gleichzeitig Polizist, bekämpft genau die, mit denen sein Vater sich umgeben hatte.

Die Rostocker Ermittler müssen sich um den Mord an Tito, Inhaber eines Musikclubs und Nachfolger von Bukows Vater auf dem Thron der Gangsterwelt, kümmern. Verdächtigt wird der bekannte Musiker Jo Mennecke (Bela B. Felsenheimer von den „Ärzten“). Zudem wird Sascha Bukow von einem alten Bekannten erpresst - Zoran Subocek (Aleksandar Jovanovic) ist wieder da. Den Bandenchef brachten König und Bukow vor zehn Jahren hinter Gitter. Jetzt ist er entlassen und hat Material, das die beiden Ermittler belastet: Damals manipulierte König Beweismittel, um einen Frauenmörder überführen zu können.

Um jeden Preis will Bukow König, mit der er seit dem Amokläuferinnen-Fall "Sabine" aus dem letzten Jahr liiert ist, schützen. Und lässt sich scheinbar auf Suboceks Angebot ein: Der Kriminelle will im Rostocker Milieu Fuß fassen, will unter anderem Titos Club, und der Polizist mit den guten Szene-Kontakten soll ihm helfen – im Gegenzug bekommt Bukow zumindest die leise Aussicht auf die Möglichkeit, dass Subocek die beiden Polizisten nicht auffliegen lässt. Bukow versucht es erst – natürlich! – allein, weiht König aber dann doch ein – und das Paar beschließt, in die Offensive zu gehen. Zusammen.

Der Rostocker „Polizeiruf“ hat viele Stärken, aber eine der größten war immer die Kombination Bukow und König bzw. Hübner und Sarnau.  In ihren Rollen (und auch in echt: „Wir haben uns nicht eine Minute heimlich gehasst“, erzählt Hübner in einem Video zu „Keiner von uns“) haben die beiden Schauspieler sich optimal ergänzt, gefordert, gepiesackt, alles, was es braucht für glaubwürdig gespielte Zwischenmenschlichkeit. Bukow und König haben es sich nie leicht gemacht, und sie haben es auch dem Zuschauer nicht leicht gemacht.

Denn in Rostock ist nichts einfach nur so munter und fluffig und leicht und locker, in Witzen steckt immer auch Dunkelheit, Liebe und Romantik kommen immer automatisch mit Schmerz oder mindestens der Aussicht darauf daher. Bukow und König waren nie Kuschelrock-Romantik, nie Teelichter-Rosenblätter-Klischee, nie unkompliziert und einfach. Und doch oder gerade deshalb: Wenn Bukow und König zusammen „Halt dich an deiner Liebe fest“ von Ton Steine Scherben singen oder „Ohne dich“ von der Münchner Freiheit, wenn sie ihm ihre Beziehungsunzulänglichkeiten regelrecht vor die Füße kotzt, wenn sie ihm aus Draht einen Ring dreht und dann beide auf einem hässlichen Parkplatz voreinander knien, dann ist das das Maximum. Mehr geht nicht.

Aber manchmal ist es einfach an der Zeit zu gehen.

Tschüss, Sascha.

mit Agenturmaterial

„Polizeiruf 110: Keiner von uns“, Das Erste, So., 20.15 Uhr

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