Im Alter von 85 Jahren: Filmemacher Michael Verhoeven gestorben
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Havanna Die Großväter aus Buena Vista

Havanna · Der "Buena Vista Social Club" brachte die Musik Kubas in die Welt. Viele der Musiker leben nicht mehr, andere erleben gerade ihren zweiten Frühling. Nun kommt die Show nach NRW.

Ein Erlebnis wird Toby Gough nie vergessen: Bei einem Spaziergang entlang der Hafenmauer Havannas sah er einen bärtigen alten Mann, der sich als Barkeeper des legendären "Buena Vista Social Clubs" herausstellen sollte: Arturo Lucas. Die Bar, in der er in den 40er und 50er Jahren Cocktails mixte, war der Mittelpunkt der kubanischen Volksmusik. Das gleichnamige Album sollte sie und ihre Musiker 40 Jahre später weltberühmt machen. Als Liebeserklärung an diese goldene Zeit schuf Gough "The Bar at Buena Vista" - eine Show, die nicht nur die bekannten Lieder enthält, sondern auch echte kubanische Legenden zusammenführt und sie wieder dorthin bringt, wo sie hingehören: auf die Bühne.

Wie viele der Männer, die das Lokal für schwarze Musiker inmitten Havannas noch selbst prägten, lebt auch Arturo Lucas nicht mehr. Sein Erbe als Barkeeper in Goughs Live-Musik-Show "The Bar at Buena Vista" trat Jose Alejandro Bolaños Herrera an. Auch er stand in den 50ern hinter den Tresen der kubanischen Hauptstadt, und war mit den Stars des "Buena Vista Social Clubs" per du. Denn Herrera, genannt "Capullo", ist selbst Sänger, Tänzer und Entertainer in einer Person. Er wuchs in der Nachbarschaft des wohl berühmtesten Rumba-Tänzers der Welt auf: Luis Chacón Mendive, besser bekannt als "Aspirina". Auch "Aspirina", der sich als Kind angeblich einmal eine Schmerztablette auf einen schmerzenden Zahn geklebt hat, ist Dauergast in Goughs "Bar". Dort zeigt der 79-Jährige jetzt wieder, dass er beim "Son" - dem kubanischen Tanz der 30er Jahre und 40er Jahre - durchaus mit den hübschen jungen Tänzerinnen Schritt halten kann.

Auch das musikalische Show-Ensemble steht für die alte Garde Kubas: Der sage und schreibe 91 Jahre alte Ignacio "Mazacote" Carrilo sang mit den verschiedensten kubanischen Größen zusammen - unter anderem auch Ibrahim Ferrer, dessen Klassiker "De Camino a la Vereda" 1996 auf dem erfolgreichen "Buena Vista"-Album erschien. "Mazacote" selbst tourte bis vor einigen Jahren mit seiner Band "Sonora Cubana" durch Europa und gilt auch in Kuba als einer der wichtigsten Interpreten traditioneller Musik - obwohl er vor seiner zweiten Musik-Karriere 40 Jahre lang in einer Wäscherei Laken gewaschen und gepresst haben soll. "Wenn er auf der Bühne steht, erlebt man eine Transformation", sagt Produzent Gough. "Wenn er singt, wird er wieder jung."

Die kubanische Revolution im Jahr 1959 bedeutete langfristig für viele Musiker das Aus. Kulturell wollte sie vieles, was aus der spanischen Kolonialzeit stammte, hinter sich lassen. Dazu gehörten auch die gesellschaftlichen Clubs, in denen sich schwarze Künstler trafen, um gemeinsam Musik zu machen, zu tanzen und einen Raum für sich allein zu beanspruchen. Damit war es in den 60er Jahren vorbei: Die Clubs wurden als rassistisch gebrandmarkt und geschlossen, die heute legendären Musiker in alle Winde zerstreut. Anfang der 90er Jahre brachte sie das Musikprojekt "Buena Vista" wieder zusammen.

Nicht ganz so alt wie sein Kollege "Mazacote" ist Sänger Julio Alberto Fernández, wegen seiner Kleidung auch "Gentleman in Weiß" genannt. Die Stimme des 76-Jährigen soll angeblich noch immer Frauenherzen zum Schmelzen bringen - ob ihm das auch bei der kubanischen Diva mit dem schönen, wenn auch etwas langen Namen Siomara Avilia Valdés Lescay gelingt? Sie begann ihre Gesangskarriere vor 65 Jahren, ihr Alter gibt sie nicht preis. Wer sie in der fiktiven "Bar at Buena Vista" mit ihrem wehenden Kleid und feurigen Temperament auf der Bühne neben "Aspirina", "Mazacote" und Fernández tanzen und singen sieht, würde ihr wahres Alter wahrscheinlich ohnehin nicht glauben.

Das kubanische Geheimnis zum Altwerden soll der 2003 verstorbene Musiker Compay Segundo übrigens einst Fidel Castro verraten haben, als sich dieser nach einem Konzert über die Vitalität des betagten Künstlers wunderte: "Lammbrühe und einen Rum." Scheinbar ein gutes Rezept, denn der Komponist des Liedes "Chan Chan", dem Markenzeichen der Musiker, wurde 95 Jahre alt.

(bur)
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