Nazis richteten Geistliche hin Lübecker Märtyrer seliggesprochen

Lübeck (RP). Es ist ein denkwürdiger Akt der Ökumene: Am Samstag wurden drei katholische Geistliche seliggesprochen und zugleich ein evangelischer Pastor besonders geehrt. Die Nazis ließen die vier 1943 hinrichten.

Mai 2011: Die Seligsprechung von Papst Johannes Paul II.
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Hildegard Stellbrink richtete ein letztes Gnadengesuch an Adolf Hitler: Er möge ihren Mann, Pastor Karl Friedrich Stellbrink, vor dem Fallbeil retten. Eine Antwort des "Führers" bekam Frau Stellbrink nie. Stattdessen erhielt die Witwe des Pastors nach dessen Hinrichtung in Hamburg am 10. November 1943 vom Oberreichsanwalt eine Rechnung über Gerichts-, Haft- und Vollstreckungskosten in Höhe von 1500,70 Reichsmark.

Der Pastor ist einer von vier christlichen Märtyrern der jüngsten Geschichte, die am Samstag in der Hansestadt Lübeck in einem denkwürdigen ökumenischen Akt von evangelischer und katholischer Kirche besonders geehrt werden.

Am selben Tag wie Karl Friedrich Stellbrink starben dessen Freunde, die katholischen Geistlichen und Nazi-Gegner Hermann Lange, Eduard Müller und Johannes Prassek. Die drei Kapläne wurden seliggesprochen. Da die evangelische Kirche diese Praxis nicht kennt, erhält Protestant Stellbrink ein ehrendes Gedenken.

Kardinal van Galen war Vorbild

Dass die Lübecker Märtyrer für einen herausragend überkonfessionellen Geist wider das antichristliche NS-Regime stehen, zeigen die Präsenz des früheren Kurienkardinals Walter Kasper bei der evangelischen Vesper sowie die Anwesenheit von 18 katholischen und vier evangelischen Bischöfen bei der Seligsprechungs-Messfeier in der Lübecker Altstadt. Erwartet wurden 9000 Teilnehmer. Damit kann die Hansestadt Lübeck auf drei Nobelpreisträger (Thomas Mann und Günter Grass für Literatur sowie Willy Brandt für Frieden) und nunmehr auf vier Märtyrer stolz sein.

Das gemeinsame Vorbild von Stellbrink, Lange, Müller und Prassek war der Bischof von Münster, Clemens August Kardinal von Galen, "der Löwe von Münster". Der 2005 in Rom seliggesprochene Kardinal war der prominenteste, wegen seiner Beliebtheit im Kirchenvolk von den Nazis zudem gefürchtete Kirchenmann. Hitlers fanatischer Propagandachef Joseph Goebbels wollte erst nach dem "Endsieg" mit von Galen und überhaupt mit der Kirche abrechnen.

Galen hatte vor allem gegen das Neuheidentum der Nazis, deren Rassen-Ideologie sowie die Ermordung sogenannten lebensunwerten Lebens Stellung bezogen. Die vier Märytrer leisteten gemeinsam Widerstand, indem sie von Galens Predigten in Lübeck verbreiteten, verbotene "Feindsender" hörten und in Jugendgruppen Krieg und Rassenhass anprangerten. Ein Nazi-Spitzel, der unter einem Vorwand an den Gesprächsrunden im Lübecker Pfarrhaus teilnahm, verriet die vier an die Geheime Staatspolizei (Gestapo).

Der 49-jährige Stellbrink, der zu Beginn seiner Pastorenlaufbahn überzeugter Hitler-Anhänger war, sowie die Kapläne Lange, Müller, Prassek, die bei der Hinrichtung jeweils Anfang 30 waren, wurden infolge von Nazi-kritischen Predigden nach der Bombardierung Lübecks Ende März 1942 verhaftet. Zusätzlich setzte die Gestapo 18 weitere christlich gesinnte Lübecker Gemeindemitglieder fest.

Während die Laien mit kurzen Haftstrafen, etwa "wegen Nichtanzeigens eines landesverräterischen Vorhabens", davonkamen, wurden die Geistlichen in einem Schauprozess vor dem Volksgerichtshof von Vizepräsident Wilhelm Crohne aufs Übelste beschimpft und dann zum Tode verurteilt.

Die Exekutionen fanden um 18 Uhr statt. Der angereiste Scharfrichter, der pro Hinrichtung 65 Reichsmark erhielt, bat darum, künftig den Exekutions-Zeitpunkt vorzuverlegen, damit er den Zug zurück nach Hannover pünktlich erreiche.

(RP)
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