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Bundesverfassungsgericht Karlsruhe stärkt Adoptionsrecht Homosexueller

Karlsruhe · Homosexuelle, die in einer eingetragenen Partnerschaft leben, dürfen nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts künftig ein von ihrem Partner zuvor angenommenes Kind adoptieren. Das Verbot der sogenannten Sukzessivadoption durch Schwule und Lesben widerspreche dem Recht auf Gleichbehandung des Grundgesetzes, entschied der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts einstimmig am Dienstag in Karlsruhe.

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Foto: Jennifer Fey

Bis 30. Juni 2014 muss der Gesetzgeber eine verfassungskonforme Regelung schaffen. Bislang konnte ein homosexueller Lebenspartner nur das leibliche Kind des anderen adoptieren - etwa, wenn das Kind einer früheren heterosexuellen Beziehung entstammt oder nach einer Samenspende zur Welt kam. Bei dem Urteil ging es ausdrücklich nicht um Fremdkindadoptionen für homosexuelle Paare. (1 BvR 3247/09 und 1BvL 1/11)

Der Parlamentarische Staatsekretär bei der Bundesjustizministerin, Max Stadler (FDP), sprach von einer "klaren Andeutung" des Gerichts zu einer prinzipiellen Gleichstellung homosexueller Paare im Adoptionsrecht. Sein Ministerium sei "zu einer großen Lösung bereit".

Verfassungsbeschwerde eingelegt hatte unter anderen eine Ärztin aus Münster. Ihre langjährige Partnerin hatte 2004 ein Mädchen aus Bulgarien adoptiert. Doch den Wunsch der Ärztin, gleichfalls Adoptivmutter zu werden, lehnten die Vorinstanzen ab.

Experten argumentierten bei der Verhandlung des Verfassungsgerichts, eine Sukzessivadoption entspreche den Interessen des Kindes, weil eine rechtliche Verfestigung das Kind schütze. So könne im Falle einer Trennung ein Familiengericht entscheiden, wo das Kind besser leben solle.

Familienschutz schließe auch nicht-eheliche Gemeinschaften ein

Im Falle des Todes des Partners, der das Kind adoptiert hatte, wäre es für das Kindeswohl besser, wenn das Kind weiter beim anderen Partner leben könnte. Vorteile durch eine Adoption gebe es zudem beispielsweise im Erbrecht und im Unterhaltsrecht.

Der Vorsitzende des Ersten Senats, Ferdinand Kirchhof, betonte in der Entscheidung, das Verbot der Sukzessivadoption widerspreche dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz. Dies betreffe sowohl den Gleichheitsgrundsatz zwischen Ehepaaren und Lebenspartnerschaften als auch den Gleichheitsgrundsatz aus Sicht adoptierter Kinder.

Das Verbot sei nicht damit zu rechtfertigen, dass einem Kind das Aufwachsen mit gleichgeschlechtlichen Eltern schade. "Weder die Einzeladoption durch homosexuelle Menschen noch das faktische Zusammenleben eingetragener Lebenspartner mit dem Kind eines der beiden Partner ließen sich ohne gravierende Verstöße gegen das Grundgesetz unterbinden", so Kirchhof. Der Familienschutz schließe auch nicht-eheliche Gemeinschaften ein.

Das Urteil wurde weithin begrüßt. Die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders, sprach von einer deutlichen Stärkung der Rechte homosexueller Paare und ihrer angenommenen Kinder. "Ich finde es mittlerweile unerträglich, dass homosexuelle Menschen ihr Recht auf Gleichbehandlung immer wieder erst vor dem Verfassungsgericht erstreiten müssen", sagte sie. Der Gesetzgeber müsse Ungleichbehandlungen künftig von sich aus beseitigen.

"Sieg für die Kinder"

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast erklärte, das Urteil sei ein "Sieg für die Kinder". Sie seien "jetzt auch rechtlich verbunden mit denen, die im Alltag schon längst ihre sozialen Eltern sind". Der Richterspruch sei blamabel für die Bundesregierung. "Wiederholt hat Karlsruhe die schwarzgelbe Regierung zurechtgewiesen, weil sie an den Bedürfnissen von Familien in Deutschland vorbeigeht."

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, sprach von einem Durchbruch bei der Gleichstellung. "Erstmals hat das Bundesverfassungsgericht die lebenspartnerschaftliche Familie verfassungsrechtlich anerkannt", erklärte er.

Das Urteil bedeute die "fünfte Niederlage der homophoben Politik der Merkel-Regierung vor dem Bundesverfassungsgericht, die die Kinder in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften sachwidrig benachteiligen will".

(KNA/AFP/dpa/csr/das)
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