"Sprechklausel" aktiviert Die Bahn erhöht den Druck bei Stuttgart 21
Stuttgart · Während der Bundesrechnungshof die Kostenentwicklung beim Großprojekt "Stuttgart 21" genauer prüfen will, erhöht die Bahn den Druck auf Baden-Württemberg und Stuttgart. Nach der Kostenexplosion zog sie die sogenannte Sprechklausel, um mit Land und Stadt über die Verteilung der Zusatzkosten zu verhandeln.

Elf Fakten zu Stuttgart 21
Das erfuhr die Nachrichtenagentur dpa am Montag aus Kreisen der Projektpartner. Das Instrument "Sprechklausel" war im Finanzierungsvertrag festgehalten worden für den Fall, dass der bisherige Kostenrahmen von 4,5 Milliarden Euro überschritten wird.
Im Dezember hatte der Bahnvorstand verkündet, dass mit Mehrkosten von 1,1 Milliarden Euro für den unterirdischen Tiefbahnhof und die Anbindung an die Schnellbahntrasse nach Ulm zu rechnen sei. Diese will die Bahn selbst stemmen. Hinzu kommen aber Kostenrisiken in Höhe von 1,2 Milliarden Euro, etwa durch Kosten aus der S-21-Schlichtung. Hier pocht der Konzern auf eine Beteiligung der Projektpartner.
Sollten sich Land und Stadt weiter weigern, sich daran zu beteiligen, könnte die Bahn vor Gericht ziehen. Bahn-Technikvorstand Volker Kefer wollte nach dpa-Informationen an diesem Montag mit Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) offiziell über einen Kostenbeitrag des Landes verhandeln. Hermann hatte jedoch stets betont: "Sprechen bedeutet nicht zahlen". Auch Stuttgart hatte sich immer gegen eine Beteiligung an Zusatzkosten ausgesprochen.
Bundesrechnungshof will genauer hinschauen
Unterdessen will der Bundesrechnungshof die Kostenentwicklung beim Bahnprojekt "Stuttgart 21" genauer unter die Lupe nehmen. Die Behörde werde sich das umstrittene Bauvorhaben "jetzt verstärkt ansehen", sagte deren Sprecher am Montag in Bonn. Der ehemalige Schlichter im Streit um das Bauvorhaben, Heiner Geißler (CDU), riet unterdessen dazu, das Projekt trotz Mehrkosten in Milliardenhöhe weiterzubauen.
Unter anderem aufgrund der oben genannten Kostensteigerung habe das Projekt beim Bundesrechnungshof "nochmals eine gewissen Priorität bekommen", sagte der Sprecher der Behörde. Diese befasste sich seit 2007 kontinuierlich mit "Stuttgart 21". Aufgrund der Entwicklungen der vergangenen Monate habe der Rechnungshof nun aber "mehr Kapazitäten für die Prüfung" vorgesehen.
Bereits im Jahr 2008 hatten die Rechnungsprüfer für den Haushaltsausschuss des Bundestags ein erstes Dossier zu "Stuttgart 21" gefertigt. Dem Papier zufolge gingen die Prüfer schon zum damaligen Zeitpunkt davon aus, dass das Tiefbahnhof-Projekt "deutlich über 5300 Millionen Euro" kosten wird. Die Bahn war damals von von Gesamtkosten in Höhe von gut drei Milliarden Euro ausgegangen. Danach hatte sich die Rechnungen mehrfach nach oben korrigiert.
Geißler für Fortsetzung des Projekts
Trotz dieser Entwicklung plädierte Ex-"Stuttgart 21"-Schlichter, Heiner Geißler, am Montag für eine Fortführung des Bauprojekts aus. Zwei Milliarden Euro seien inzwischen ausgegeben, sagte Geißler im Deutschlandradio. Wenn daraus nichts gemacht werde, sei das Geld weg und man habe "nichts dafür bekommen", warnte der CDU-Politiker. Das könne nicht sinnvoll sein. Die steigenden Kosten für das Bauprojekt hält der CDU-Politiker für "ein lösbares Problem". Selbst wenn der Bahnhof drei Milliarden Euro teurer werde, müsse das Geld für ein solches Projekt da sein, sagte Geißler.
Bei Projekt-Gegnern stieß der ehemalige Schlichter mit seiner Forderung auf Kritik. "Ganz offensichtlich gibt sich Heiner Geißler dafür hin, als Sprachrohr für die Kanzlerin zu dienen und ihre Durchhalteparolen ins Land zu posaunen", erklärte der Sprecher der "Parkschützer", Matthias von Herrmann. Merkel hatte das Projekt bisher stets befürwortet.
Voraussichtlich Anfang März wird der Bahn-Aufsichtsrat über die neuen Finanzierungspläne des Vorstands und damit über die Zukunft des Bauprojekts entscheiden. Für diese Woche stehen zudem Krisentreffen in Stuttgart an: Für Montagnachmittag hatten sich Bahn-Infrastrukturvorstand Volker Kefer und Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) verabredet. Für Dienstag ist ein Treffen zwischen Kefer und dem Stuttgarter Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) vorgesehen.