EKD Ein Münchner führt jetzt die Protestanten

Dresden · Heinrich Bedford-Strohm ist neuer Ratsvorsitzender der EKD - ein Mann der unentwegten evangelischen Begeisterung. Die braucht er auch.

 Zufriedenes Lächeln: Der Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, Heinrich Bedford-Strohm, nach seiner Wahl zum neuen Ratspräsidenten der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD).

Zufriedenes Lächeln: Der Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, Heinrich Bedford-Strohm, nach seiner Wahl zum neuen Ratspräsidenten der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD).

Foto: dpa

Der Mann spielt Geige. Er weiß, wie eine Backstube von innen aussieht. Und er versteht es, ein Lamm halbwegs fachgerecht auf dem Arm zu halten. All das erfährt, wer auf der Videoplattform Youtube nach Heinrich Bedford-Strohm (54) forscht, dem bayerischen Landesbischof und neuen Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Die Synode, also das Kirchenparlament, wählte ihn in Dresden mit 85 Prozent der Stimmen zum Nachfolger Nikolaus Schneiders (67). Bedford-Strohm vertritt gut 23 Millionen deutsche Protestanten.

Der Neue ist also das, was man netzaffin nennt - er nutzt das Internet ganz umstandslos für persönliche Selbstdarstellung und kirchliche Stellungnahmen aller Art. Und Bedford-Strohm nimmt gern Stellung. "Manchmal muss man ihm sagen: Ist gut, Heinrich, wir haben's verstanden, nicht noch mal", sagt schmunzelnd ein Ratskollege.

Bedford-Strohm ist ein profilierter Sozialethiker. Politisch ist er wie Schneider auf dem linken evangelischen Flügel zu Hause und bei denen, die eine politisch aktive Kirche für selbstverständlich halten.

Pfarrer war der neue Ratschef, anders als Schneider, nur relativ kurz. Stattdessen hat er eine Wissenschaftskarriere absolviert, die ihn bis in die USA führte. An seiner intellektuellen Qualifikation zweifelt daher, anders als in Sachen Seelsorge, in der EKD niemand. Und er hat in Heidelberg als Schüler seines Vorvorvorgängers im Ratsvorsitz, Wolfgang Huber, sowie als Professor in Bamberg sein Denken in "öffentlicher Theologie" geschult. Bedford-Strohm definiert sie selbst so: "Öffentliche Theologie will die kraftvollen Inhalte der christlichen Überlieferung so zur Geltung bringen, dass sie in pluralistischen Öffentlichkeiten verstanden werden." Dazu brauche die Kirche "klares theologisches Profil", müsse aber auch "versiert in der Sprache der säkularen Welt" sein. Also auch in sozialen Netzwerken.

Aus wenigen Kirchenfunktionären spricht mit jedem Ton so viel Begeisterung für die evangelische Sache wie aus Bedford-Strohm. So auch gestern: Er wolle "Aufbruch mitgestalten", sagte er vor der Synode - "solche Aufbrüche geschehen schon jetzt überall im Land". Es gelte, "beherzt neue Wege der Verkündigung zu beschreiten". An die neue Aufgabe gehe er mit "Freude, Energie und einer gewissen Gelassenheit".

Dass er sein Amt nicht als Stubenhockerei versteht, bewies Bedford-Strohm im September, als er den Nordirak besuchte - und sich an die vorderste Front des Kriegs gegen den "Islamischen Staat" fahren ließ. Politischer Ausfluss der Reise war die Forderung nach einem internationalen Militäreinsatz im Irak, weil die Uno "kläglich versagt" habe. Mit solchen Sätzen begibt man sich in der friedensbewegten evangelischen Kirche auf dünnes Eis. Auch deshalb sind die 85 Prozent von gestern ein ordentliches Ergebnis.

Bedford-Strohm ist jetzt zwar nur für ein Jahr gewählt: den Rest von Schneiders Amtszeit. Dennoch hat die Synode gestern eine Vorfestlegung getroffen. Wenn keine Katastrophe passiert, dann wird der Bayer in einem Jahr von der dann neuen Synode für sechs Jahre bestätigt. Damit kann sich die EKD auf eine Amtszeit bis (mindestens) 2021 einstellen; Bedford-Strohm dürfte also das Gesicht des deutschen Protestantismus während des Reformationsjubiläums 2017 sein.

Seine unerschrockene Erfülltheit mit der kirchlichen Sache wird der neue Ratschef brauchen. Denn er findet eine Kirche vor, die jüngst viel zu viel mit Selbstbespiegelung beschäftigt und von mangelnder Professionalität behindert war und der es deshalb zu selten gelang, die öffentliche Debatte zu prägen. Bedford-Strohm muss auch beantworten, welches ökumenische Signal (jenseits der vagen Zuschreibung als "Christusfest") von 2017 ausgehen soll. Die Vorbereitungen treten jetzt in die entscheidende Phase.

Ein interessanter Nebeneffekt seiner Wahl ist der, dass München ein Zentrum der deutschen Ökumene wird. Schließlich führt der Münchner Kardinal Reinhard Marx seit März die katholische Bischofskonferenz. Und vom Landeskirchenamt zum Erzbischöflichen Palais ist es kaum ein Kilometer. Marx hat bereits wissen lassen, er werde nicht in "Tränen der Verzweiflung" ausbrechen, sollte sein "Bruder" Bedford-Strohm gewählt werden.

In seinem Grußwort an die Synode am Sonntag sagte Marx freilich auch: "Gut, ehe ihr ganz kopflos werdet, dann übernehme ich das auch noch." Das hat die klare Entscheidung der EKD gestern verhindert. Man muss es ja auch nicht übertreiben mit der Gemeinschaft.

(RP)
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