Debatte über Asylbewerber in NRW Beispiele für gutes Miteinander in NRW

Berlin/Düsseldorf · Seit Wochen steht Berlin-Hellersdorf Kopf. Hunderte Menschen protestieren dort für und gegen ein Asylbewerberheim. Die Flüchtlinge selbst verstehen die Welt nicht mehr. Nicht nur in Berlin löst die Unterbringung von Asylbewerbern Konflikte aus. Auch in NRW gibt es solche Fälle – und zugleich Beispiele für ein gutes Miteinander.

Demos für und gegen Flüchtlingsheim in Berlin-Hellersdorf
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Demos für und gegen Flüchtlingsheim in Berlin-Hellersdorf

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Seit Wochen steht Berlin-Hellersdorf Kopf. Hunderte Menschen protestieren dort für und gegen ein Asylbewerberheim. Die Flüchtlinge selbst verstehen die Welt nicht mehr. Nicht nur in Berlin löst die Unterbringung von Asylbewerbern Konflikte aus. Auch in NRW gibt es solche Fälle — und zugleich Beispiele für ein gutes Miteinander.

Dienstagabend in Berlin-Hellersdorf: Linke und rechte Demonstranten stehen sich gegenüber. Als NPD-Anhänger bei ihrer Kundgebung ins Mikro reden, werden sie von vielen jungen Leuten mit Geschrei und Trillerpfeifen übertönt, wie der Berliner "Tagesspiegel" berichtet. Elf Menschen werden am Ende festgenommen, ein Polizist wird durch eine geworfene Flasche verletzt.

Es sind Szenen, wie sie sich immer wieder abspielen, wenn linke und rechte Demonstranten aufeinandertreffen. Doch diesmal geht es nicht um eine allgemeine Demonstration. Dieses Mal spielt sich der Protest mitten vor einer ehemaligen Schule ab, die zu einem Asylbewerberheim umfunktioniert wurde. Seit Wochen gibt es bereits Proteste für und gegen das Heim. Die ersten Bewohner wurden am Montag unter Polizeischutz in ihre neue Behausung gebracht, Sicherheitsleute und Polizisten bewachen das Objekt rund um die Uhr. Laut Berliner Flüchtlingsrat haben sechs Flüchtlinge das Heim schon wieder verlassen — aus Angst.

Eine anonym agierende Initiative macht Stimmung

Die Menschen aus Syrien, Afghanistan oder dem Balkan sehen die vielen demonstrierenden Menschen vor dem Heim und verstehen mitunter gar nicht, dass die meisten für sie protestieren. So schreibt etwa die "Taz" von einem Palästinenser, der auf die Protestierenden zugeht und fragt: "Wollt ihr uns töten?". Dass ihm ein Demonstrant noch zuruft "Wir sind eure Freunde" habe der Asylbewerber schon gar nicht mehr mitbekommen. "Es ist nicht zumutbar, Menschen dorthin zu schicken", sagt inzwischen die Sprecherin des Flüchtlingsrates, Martina Mauer.

Seit Wochen machen Rechtsextreme und Populisten vor Ort und eine anonym agierende Bürgerbewegung im Netz Stimmung gegen das Asylbewerberheim. Bei einer Bürgerversammlung Anfang Juli wurde der Protest gegen das Heim lauter und kocht nun hoch. "Es ist das eine, wenn Anwohner besorgt sind, aber es ist völlig inakzeptabel, wenn diese Ängste durch die NPD und eine anonym agierende Initiative gegen schutzbedürftige Personen gerichtet werden", sagt Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU). Und der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit sagte dem "Tagesspiegel": "Da müssen alle Demokraten dagegen halten."

Diskussionen um Duisburger Problemhaus

Dass es bei der Unterbringung von Asylbewerbern immer wieder Konfliktpotenzial gibt, zeigt aber nicht nur das Hellersdorfer Beispiel, sondern manch anderes in Deutschland ebenfalls — auch in NRW. In Duisburg etwa gibt es immer wieder Diskussionen um das sogenannte Problemhaus in Rheinhausen. Die Tatsache, dass dort eine unbekannte Zahl an Familien aus Südosteuropa — teilweise unter eklatanten Bedingungen — lebt und es immer wieder zu Polizeieinsätzen kommt, sorgt für Unruhe in der Nachbarschaft.

Versuchten zuletzt noch Politiker — unter anderem Peer Steinbrück — sich mit Besuchen selbst ein Bild von der Lage zu machen und den Streit zu schlichten, sorgt nun das Haus für Schlagzeilen, weil Unbekannte Hakenkreuze und fremdenfeindliche Parolen an die Hauswände schmierten, ein Mann zeigte zudem den Hitlergruß. Anwohner distanzieren sich zwar von rechten Aufmärschen und Nazi-Parolen, fühlen sich aber von der Politik mit den Problemen mit den neuen Nachbarn alleine gelassen.

"Das Hochhaus muss geräumt werden. Die Bewohner müssen vernünftige Wohnungen bekommen. Dann kann die Integration auch funktionieren, und die Lage wäre entspannt", sagte so ein Nachbar unserer Redaktion. Es reiche nicht, wenn Polizei und Ordnungsamt hin und wieder mal Präsenz zeigten.

Freiwillige helfen Asylbewerbern

Auch in Ratingen hatten sich Bürger über neue Container geärgert, die für Asylbewerber errichtet wurden, weil deren alte Unterkünfte in einem desolaten Zustand waren. Einige Anwohner kritisierten, dass sie über das Ausmaß des Container-Dorfes nicht ausreichend informiert worden seien und es letztlich größer werden würde als ursprünglich geplant.

Oft sind auch die Asylanten selbst mit ihrer Situation unzufrieden. In Nettetal meldeten sie sich nun selbst zu Wort. Der Flüchtlingsrat NRW kritisierte dort die Unterbringung der Asylanten. Die Container, in denen die Menschen untergebracht sind, seien zu eng und böten zu wenig Privatsphäre. Die Versorgung mit Kleidern durch die Kleiderkammer der Caritas in Lobberich empfinden einige der Asylanten zudem als "entwürdigend", da ihnen durch die Gutscheine die Freiheit genommen würde, selber zu entscheiden, wie sie sich mit Kleidung versorgen.

Armin Schönfelder, Sozialdezernent der Stadt, verteidigt die Regelung "Laut Gesetz sollen die Betroffenen in erster Linie durch Sachleistungen versorgt werden." Sei das nicht möglich, könnten Gutscheine oder Bargeld ausgegeben werden. "Bei uns bekommen Asylbewerber Kontokarten mit festem Guthaben. Damit können sie im Stadtgebiet einkaufen", erklärt er.

Leverkusen: Freiwillige streichen Containersiedlung

Doch es gibt auch Beispiele, in denen das Zusammenleben zwischen Anwohnern und Asylbewerbern gut funktioniert. So etwa in Neuss. Dort wurden von Januar bis August 2013 rund 100 Flüchtlinge aufgenommen — die Stadt vermeldet eine steigende Zahl von Menschen, die aus dem ehemaligen Jugoslawien, der ehemaligen Sowjetunion und aus Syrien in den Rhein-Kreis kommen.

Viele der Flüchtlinge kommen in Übergangsheimen oder in der Zentralen Aufnahmestelle im ehemaligen St. Alexius-Krankenhaus unter. Probleme oder Diskussionen rund um das relativ neue Heim der Flüchtlinge hat es aber bisher nicht gegeben. Die Betreiber berichteten unserer Redaktion im Februar dieses Jahres, dass sie die Neusser durchaus weltoffen erleben. Während es in anderen Städten viel Protest gegen Asylantenheime gegeben habe, seien in Neuss keine Beschwerden der Bevölkerung eingegangen.

Auch in Leverkusen setzen sich die Menschen für Asylanten ein. Dort strichen Freiwillige eine bis dahin eher triste Containersiedlung für etwa 70 Asylantenbewerber und ihre Kinder. Die Flüchtlinge freuten sich über die Aktion und die Helfer. "Wir wollten etwas in Opladen für Kinder machen. Denn hier können wir den ärmsten Kindern helfen", begründet Stadtgruppenleiterin Simone Seidenberg die Entscheidung.

Solche Beispiele zeigen, dass die Situation nicht immer eskalieren muss wie nun in Berlin-Hellersdorf. Denn Bilder wie vor 21 Jahren in Rostock-Lichtenhagen, als es vor einem Asylbewerberheim zu ausländerfeindlichen Ausschreitungen kam, sollte in Deutschland niemand mehr sehen.

(das)
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