Bluttat in Dossenheim Motiv für Amoklauf war Streit um Nebenkosten
Heidelberg · Es scheint eine Erklärung für den Amoklauf eines 71-jährigen Sportschützen in Dossenheim zu geben: Ein Streit um Nebenkosten sei der Auslöser für die Blutat, die drei Tote und fünf Verletzte gefordert hat.
Das sagte der Leiter der Heidelberger Staatsanwaltschaft, Alexander Schwarz, am Mittwoch. Der Mann habe sich von den Miteigentümern, die sich am Dienstagabend zu einer Eigentümerversammlung getroffen hatten, betrogen gefühlt.
Der Amokläufer war ein 71-jähriger Rentner, der seit Jahrzehnten Mitglied in einem Schützenverein war, sagte der Einsatzleiter der Polizei, Siegfried Kolmar. Der Mann habe sich bis zu seiner Tat nichts zuschulden kommen lassen. "Er hat bisher völlig unauffällig gelebt."
"Ich bring euch alle um"
Der Mann war wegen des Streits bei der Versammlung vom Verwalter der Eigentümergesellschaft des Raums verwiesen worden. Kurz darauf kam er zurück, rief "Ich bring euch alle um!" und eröffnete mit einer großkalibrigen Pistole das Feuer.
Unter den verletzten Opfern des Amoklaufs von Dossenheim ist auch die Ehefrau des Täters. Die 70-Jährige sei eine der fünf Verletzten, sagte der Leiter der Heidelberger Staatsanwaltschaft, Alexander Schwarz, am Mittwoch. Die Toten sind zwei 82 und 54 Jahre alte Männer, beide Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft. Nach Angaben des Einsatzleiters der Polizei, Siegfried Kollmar, gab der Sportschütze insgesamt 17 Schüsse ab. Der 71 Jahre alte Mann hatte am Dienstagabend bei einer Eigentümerversammlung die beiden Miteigentümer und sich selbst erschossen.
Der Mann habe die tödlichen Schüsse am Dienstagabend mit einer großkalibrigen Pistole abgegeben, sagte Baden-Württembergs Innenminister Reinhold Gall (SPD) am Mittwoch. "Es war wieder ein schrecklicher Vorfall, bei dem ein Sportschütze beteiligt war." Der Täter hatte am Dienstagabend nach einem Streit bei einer Eigentümerversammlung das Feuer auf die etwa zehn Versammelten eröffnet. Danach nahm er sich selbst das Leben.
Der Mann war des Raumes verwiesen worden, kam aber mit einer Pistole wieder und schoss um sich, wie ein Polizeisprecher sagte. Derzeit würden Zeugen vernommen, um das Motiv zu klären. Zudem würden der Tatort genau untersucht und die drei Leichen obduziert. Eine schwer verletzte Frau sei inzwischen außer Lebensgefahr.
Die Versammlung mit etwa zehn Personen hatte im Raum des Vereins TSG Germania 1889 Dossenheim stattgefunden. Die Verletzten waren in umliegende Krankenhäuser gebracht worden. Andere Teilnehmer der Versammlung mussten psychologisch betreut werden. Insgesamt 50 Vereinsmitglieder und Gäste waren zum Tatzeitpunkt auf dem großen Areal, darunter auch Kinder.
Erneuter Ruf nach Waffenverboten
Der Stuttgarter Innenminister Gall forderte erneut das Verbot großkalibriger Waffen. Diese benötigten Sportschützen nicht, sagte der Minister. Menschen, die Schießsport betrieben, müssten "intensiv kontrolliert" werden. Er könne nicht glauben, dass so ein Mann nicht vorher schon einmal aufgefallen ist.
Ein Zeuge erklärte, es seien mehr als zehn Schüsse abgefeuert worden. "Es waren vielleicht 10 bis 15 Schüsse, ich weiß es nicht genau", sagte ein älterer Mann, der zur Tatzeit auf der Terrasse der Gaststätte saß. "Wir waren wie verdattert. Danach war es ganz still.
Dann sind alle runtergerannt."
Der Dossenheimer Vereinspräsident Willi Ortlipp zeigte sich sehr bestürzt. "Ich fühle mich ganz mies und schlecht", sagte er. Ortlipp war kurz zuvor nach einer CDU-Wahlkampfveranstaltung auf dem Vereinsgelände mit der Bundesbeauftragten für Integration, Maria Böhmer, nach Hause gegangen und wieder herbeigeeilt.
Debatte um Sportschützen
In Deutschland verübten Sportschützen bereits mehrfach Gewalttaten mit ihren Waffen. Dies löste immer wieder heftige politische Debatten aus. Im September 2010 hatte eine Sportschützin im südbadischen Lörrach ihren Ehemann, den fünfjährigen Sohn sowie den Pfleger eines Krankenhauses getötet. Sie selbst wurde von der Polizei erschossen. Sie hatte mehr als 300 Schuss Munition dabei und schoss wild um sich.
Die neue Tat weckt auch Erinnerungen an den Amoklauf von Winnenden und Wendlingen. Am 11. März 2009 hatte der 17-jährige Tim K. an seiner ehemaligen Schule und auf der Flucht 15 Menschen und sich selbst erschossen. Er hatte die Waffe von seinem Vater, einem Sportschützen.
Das Aktionsbündnis Amoklauf Winnenden dringt nach der Bluttat in Dossenheim auf schärfere Waffengesetze. Die Waffen von Sportschützen müssten endlich zentral aufbewahrt und besonders gesichert werden, sagte Hardy Schober vom Aktionsbündnis. "Hätte er keinen Zugriff auf die Waffe gehabt, wäre es nicht zu der Tat gekommen." Bereits 2007 habe das Bündnis diese Forderung klipp und klar formuliert. Es sei ärgerlich, dass die Bundesregierung nicht endlich handele.
Auch die Südwest-Grünen forderten ein Verbot großkalibriger Waffen. "Immer wieder werden Menschen getötet und anschließend passiert nichts, das darf einfach nicht wahr sein", sagte der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion Uli Sckerl. FDP-Landtagsfraktionschef Hans-Ulrich Rülke hingegen warnte vor "reflexhaften Forderungen" nach der Verschärfung von Gesetzen und davor Sportschützen und Jäger potenziell zu kriminalisieren