Hungerstreik von Asylbewerbern abgelehnt Katastrophe abgewendet — Problem bleibt

München · Auf dem Münchner Rindermarkt ist schon fast nichts mehr davon zu bemerken, dass hier 44 Menschen über Tage ihren Hungertod in Kauf genommen hatten. Die Stadtverwaltung arbeitet effizient: Das behelfsmäßige Zeltlager ist geräumt, die Spuren werden beseitigt. Das Problem bleibt.

Polizei räumt Asylbewerbercamp in München
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Polizei räumt Asylbewerbercamp in München

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An diesem Montag werden voraussichtlich wie immer Einkaufsbummler, Angestellte und Touristen den Platz bevölkern, als sei nichts gewesen. Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD), Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU), Polizei, Ordnungsamt, Innenministerium - alle Beteiligten können erleichtert aufatmen.

Der Rechtsstaat hat sich nicht erpressen lassen, wie es Sozialministerin Christine Haderthauer und Innenminister Joachim Herrmann (beide CSU) markig angekündigt hatten. Denn hätten die Behörden der Forderung nach sofortiger Anerkennung der Asylanträge nachgegeben, wäre möglicherweise eine Welle ähnlicher Protestaktionen in ganz Deutschland die Folge gewesen. Vermieden haben Seehofer und Ude auch eine Eskalation des parteipolitischen Konflikts, der in den vergangenen Tagen bereits aufgeflammt war.

Mit der Entscheidung, das Lager aufzulösen und die schon stark geschwächten Hungerstreikenden in Krankenhäuser zu bringen, verhinderten sie auch eine Katastrophe - für die Flüchtlinge und für Deutschland. Denn hätte es mitten in einer der wohlhabendsten Städte Europas tatsächlich tote Asylbewerber gegeben, hätte das weltweite Medienecho wohl nur Minuten auf sich warten lassen.

Mysteriös bleibt, wer in der Gruppe auf dem Rindermarkt eigentlich die Fäden zog und ob zumindest manche der Hungerstreikenden von ihren - nicht hungernden - Unterstützern instrumentalisiert wurden. Die Pressemitteilungen der Gruppe waren in einem Jargon verfasst, der an linke K-Gruppen aus den 70er Jahren erinnerte.

"Unsere Körper sind unsere Waffen", verlautbarten sie am Freitag.
"Entweder die Erfüllung der exakten Forderung der hungerstreikenden Asylsuchenden oder Bobby Sands und Holger Meins auf den Straßen Münchens." RAF-Terrorist Meins war 1974 an den Folgen eines Hungerstreiks im Gefängnis gestorben, IRA-Terrorist Bobby Sands hatte sich 1981 zu Tode gehungert.

Die Frage bleibt, wie der Rechtsstaat mit Menschen umgeht, die in Deutschland Zuflucht suchen. Für Asylbewerber geht es bei ihrem Antrag buchstäblich um ihr gesamtes weiteres Leben - ob sie nun politisch Verfolgte sind oder Wirtschaftsflüchtlinge. "Bis zur Entscheidung über einen Asylantrag können eineinhalb bis zwei Jahre vergehen", sagt Alexander Thal vom bayerischen Flüchtlingsrat. Viele fristen Monate - manchmal Jahre - ihres Lebens in überfüllten Gemeinschaftsunterkünften in Mehrbettzimmern.

Viele sind gezwungen, über Jahre in einem Zustand permanenter Rechtsunsicherheit abzuwarten. Das gilt vor allem für die Fälle, in denen die Asylanträge nicht anerkannt, die Betroffenen aber trotzdem in Deutschland geduldet werden, weil in ihrem Land Krieg herrscht. Die Asylbewerberunterkünfte seien "brechend voll", sagt Thal. Mit weiteren Protesten ist zu rechnen.

(AFP)
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