52 Tote bei Unglück in Supermarkt in Riga "Von allen Seiten brach alles zusammen"

Riga · Die Zahl der Toten nach dem Dacheinsturz in einem Einkaufszentrum in Riga ist am Freitagabend auf mindestens 52 gestiegen. Unklar blieb, wie viele Menschen noch unter den Trümmern begraben sind.

52 Tote bei Unglück in Supermarkt in Riga: "Von allen Seiten brach alles zusammen"
Foto: ap, Roman Koksarov

Die Rettungsarbeiten werden rund um die Uhr fortgesetzt und noch mindestens bis Samstagmorgen dauern, sagte ein Sprecher im lettischen Fernsehen. Die Helfer müssten noch rund 400 Quadratmeter des insgesamt 1500 Quadratmeter umfassenden Geländes des Einkaufszentrums durchkämmen.

Fassungslos stehen Hunderte Menschen bei nasskaltem Wetter hinter den Polizeiabsperrungen in Riga und blicken auf die Ruine aus Glasscherben und Betonteilen. Sie hoffen auf Lebenszeichen der Vermissten, die in den Trümmern vermutet werden.

Anwohner und Passanten legen Blumen an dem Unglücksort in der lettischen Hauptstadt nieder und stellen Kerzen auf. Das baltische EU-Land ist nach dem Einsturz eines Supermarktdachs, bei dem mehr als 40 Menschen starben, in tiefer Trauer.

Während Helfer mit Spürhunden die ganze Nacht nach Opfern und Überlebenden suchen, versuchen die Umstehenden verzweifelt, ihre im Inneren vermuteten Angehörigen zu erreichen. "Sie antwortet nicht auf meine Anrufe", schluchzt eine Frau, deren Tochter in dem Supermarkt arbeitete. Immer wieder unterbrechen die Rettungskräfte ihre Arbeit, um Hilferufe oder Klingeltöne zu hören. Der Supermarkt gleicht einem Trümmerfeld. Auch am Wochenende wollen die Helfer weitersuchen.

Mindestens 43 Menschen kamen nach offiziellen Angaben ums Leben, mehr als 30 wurden verletzt - und immer noch werden Menschen unter den Trümmern vermutet. "Dieses unerwartete und tragische Ereignis hat unser Land erschüttert", sagt Regierungschef Valdis Dombrovskis. Präsident Andris Berzins spricht von einer "unfassbaren Tragödie". Der Einsturz gilt als der größte und folgenreichste Unfall in der Geschichte Lettlands seit der Unabhängigkeit 1991.

Das Unglück geschieht während des belebten Abendgeschäfts, als viele auf dem Nachhauseweg in dem Supermarkt in einem Vorort von Riga einkaufen. "Von allen Seiten brach alles zusammen - die Decke und die Wände. Und Du weißt nicht, ob man auf den Boden knien oder zum Ausgang rennen soll", schildert eine Kundin im Fernsehen ihre Erfahrung. Sie konnte sich in letzter Minute retten. "Gott sei Dank war ich fünf Schritte entfernt von der Tür."

Andere haben dieses Glück nicht. "Auf die Kassierer und Kunden fiel das Dach neben der Kasse", erzählt eine Mitarbeiterin des Supermarkts. "Dort unter den Trümmern verblieben drei bis vier Kassierer, wir haben nicht gesehen, dass sie rausgeholt wurden." Fernsehbilder zeigen, wie Rettungskräfte in der Nacht im Licht der Suchscheinwerfer mit schwerem technischen Gerät oder sogar mit bloßen Händen Schutt und Geröll aus dem Gebäude schaffen. Sie nutzen Kräne, um vorsichtig größere Teile des erst vor zwei Jahren errichteten Einkaufszentrums beiseitezuschaffen. Ein Sprecher des Rettungsdienstes spricht von einer gefährlichen Aktion.

Unter den Toten sind auch drei Feuerwehrmänner, weitere Retter wurden bei dem Einsatz verletzt. "Ich bin stolz auf meinen Vater. Er versuchte, das Leben von anderen zu retten, ohne an sich selbst zu denken", twittert die Tochter eines Helfers, der verwundet wird.

Im Internet diskutieren viele der mehr als zwei Millionen Letten intensiv die mögliche Ursache der Katastrophe. Unter den Opfern sollen sich auch mehrere Eltern von schulpflichtigen Kinder befinden. Auf allen Fernsehkanälen wird das Programm immer wieder für aktuelle Nachrichten und Sondersendungen unterbrochen.

(dpa)
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