Emmaus-Kantorei Willich Heimspiel für eine Uraufführung

Willich · Toni Ulrich ist ein Kind der Emmaus-Kantorei. Am Sonntag wird sein Werk „Psalm 100“ in Willich uraufgeführt.

 In Leipzig geboren, in Willich aufgewachsen, lebt und arbeitet Toni Ulrich heute in Düsseldorf. Der 29-Jährige bleibt aber weiterhin der Emmaus-Kantorei verbunden.

In Leipzig geboren, in Willich aufgewachsen, lebt und arbeitet Toni Ulrich heute in Düsseldorf. Der 29-Jährige bleibt aber weiterhin der Emmaus-Kantorei verbunden.

Foto: Toni Ulrich

Am Sonntag wird er nicht wie sonst im Chor mitsingen oder die Orgel spielen, sondern im Publikum sitzen. Er möchte die Uraufführung seines Werkes „Psalm 100“ als Zuhörer und nicht als Akteur erleben. Der Komponist dieses Werkes für vierstimmigen Chor und Orgel ist Toni Ulrich. Der 29-Jährige lebt heute in Düsseldorf, wo er in einer Werbeagentur IT-Projekte betreut. Aber in der Emmaus-Kantorei in Willich ist er alles andere als ein Unbekannter. Als Musiker ist er quasi ein Eigengewächs der Gemeinde, wie Kreiskantor Klaus-Peter Pfeifer mit berechtigtem Stolz anmerkt.

In Leipzig im Wendejahr 1989 geboren, zog seine Familie um 2000 ins Rheinland, nach Willich. Seine erste musikalische Station in der Emmaus-Kantorei war der Kinderchor. Als er die Robert-Schuman-Gesamtschule besuchte, pausierte er mit dem Singen. Bald hat er aber wieder in der Kantorei gesungen. Gleichzeitig begann er, sich autodidaktisch das Klavierspielen beizubringen. Alles ging irgendwie nebenbei, Toni Ulrich ist keiner, der durch die Musikschule geprägt wurde und „Jugend musiziert“-Weihen empfangen hat. Niemand in seiner Familie war besonders musikalisch. Woher hat der Junge diese Musikalität, fragten sich alle und kamen irgendwann auf den Großvater väterlicherseits, der in der NS-Zeit in Leipzig heimlich im Jazzkeller Klavier spielte.

Toni Ulrich sagt über sich selber, er sei immer zu faul zum Üben gewesen. Doch er kam auch so weiter. Vom Klavier sprang er auf die Orgel über, ließ sich alles zeigen, probierte aus und las vieles nach. Intensiven Unterricht gab es auch dabei nicht. Aber er kann heute die Orgeldienste im Gottesdienst übernehmen. Natürlich müsse er die Fußarbeit etwas intensiver üben. Aber er hat Spaß daran, neue Musik kennenzulernen. Er bezeichnet sich als „Ohren-Musiker“, auch wenn er das Notenlesen beherrscht. Doch nach der Schule wählte er kein Musikstudium, sondern studierte in Köln Web-Entwicklung. Das Komponieren bringt er damit in Einklang: Software, Logik, System – ganzheitliches Denken verlange auch das Komponieren.

Mit dem Komponieren fing er auf den Chorreisen an. Vor neun Jahren in Irland entstanden erste Arrangements für vielstimmigen Chor, weil es schneller war, selber zu arrangieren, als Noten zu suchen. Für einen Rundfunkgottesdienst schrieb er dann auch ein eigenes Stück. Neue Ideen schrieb er auf und verstaute sie in einem Karton – bis er damit etwas machen konnte. So entstand 2015 eine Messe, ökumenisch, denn Ulrich ist kein Katholik. Da er lange selber im Chor gesungen hat, weiß er sehr gut, was singbar ist und was ambitionierte Laien schaffen.

Sein neues Werk, der Psalm 100, hat einen Vorlauf von mehr als einem Jahr. 2016 war Toni Ulrich in Ostengland in Urlaub und fuhr mit dem Fahrrad durch eine anheimelnde Landschaft grüner Wiesen. In einer dieser gedrungenen Cambridge-Kirchen hatte er den Psalm 100 gehört und war davon sehr angetan. Die Sprache klang nach und in seinem Kopf entstand eine erste Melodie. Doch dann ruhte die Arbeit für ein Jahr, reifte gewissermaßen weiter. Wegen seiner Entstehungsgeschichte wird das Werk auch auf Englisch gesungen: O Be Joyful in the Lord.

Was als spontane Idee auf dem Fahrrad begann, ist jetzt auf 23 Seiten gedruckt: vier Singstimmen und die Orgelbegleitung. Rund zehn Minuten dauert die Aufführung. Das Notenbild sieht „normal“ aus, Toni Ulrich lächelt nachsichtig, nein, sein Werk sei nicht zu modern. „Es werden keine Geräusche gemacht.“ Und verkopft sei seine Musik auch nicht. Heiter beschwingt nennt er sein Psalm-Werk, fröhlich und trotzdem ernst und mit gewissem Tiefgang. Am Sonntag ist die Uraufführung zu hören.

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