Senioren sind meist Opfer Immer öfter Schockanrufe - so reagieren Sie richtig

Viersen · Kinder oder Enkelkinder sind in Not, brauchen sofort Geld: Mit solchen Schockanrufen versuchen Betrüger an Geld zu kommen. Immer öfter mit Erfolg. Die Polizei in Viersen gibt Tipps zum Schutz.

Mit dem Enkeltrick oder Schockanrufen versuchen Betrüger, insbesondere Ältere um Geld und Schmuck zu bringen. Was die Polizei in Viersen rät.

Mit dem Enkeltrick oder Schockanrufen versuchen Betrüger, insbesondere Ältere um Geld und Schmuck zu bringen. Was die Polizei in Viersen rät.

Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Es sind dramatische Geschichten, die die Opfer am Telefon hören: Die Enkelin habe bei einem schweren Autounfall eine Frau getötet, nun drohe ihr Gefängnisstrafe, die nur gegen Abgabe von Schmuck vermieden werden könne. Eine Viersenerin (86) packte daraufhin Schmuck mit einem mittleren fünfstelligen Wert zusammen und übergab ihn einer Frau.

Es sind gewaltige Summen, die bei den Schockanrufen und Enkeltricks erbeutet werden: Die Kreispolizeibehörde meldet in diesem Jahr bereits einen Gesamtschaden durch Betrugsdelikte in Höhe von mehr als 300.000 Euro. Genaue Statistiken zu Schockanrufen führt die Polizei nicht – sie zählen zu den Betrugsdelikten. „Davon zählen wir seit Jahresbeginn 287“, so Polizeisprecherin Heike Ahlen. Die Polizei geht von einer sehr hohen Dunkelziffer aus, da einige Opfer aus Scham keine Anzeige erstatten oder weil der Betrug rechtzeitig erkannt wurde.

Welche Geschichten erzählen die Betrüger am Telefon? Meistens beginnt der Anruf mit Weinen oder Geschrei: „Jemand ruft Mama oder Papa, je nachdem, ob sich ein Mann oder eine Frau am Telefon gemeldet hat“, berichtet Ahlen. Viele Opfer nennen dann im Reflex den Namen des Kindes, Enkels oder Patenkindes, das sie dahinter vermuten. Diesen Namen nehmen die Betrüger auf: „Dann übernimmt ein angeblicher Polizeibeamter, Staatsanwalt oder Richter das Gespräch und berichtet von dem tödlichen Unfall, der verursacht worden sein soll. Eine Kaution soll vor dem Gefängnis bewahren“, erklärt Ahlen. Diese wird in bar oder in Form von Schmuck und Wertgegenständen gefordert.

Warum fallen so viele Menschen auf die Masche herein? „Die Betrüger sind Profis“, sagt die Polizeisprecherin. Sie seien trainiert und wüssten genau, wie man Menschen aus dem Gleichgewicht bringt. Sie würden den ersten Schockmoment nutzen, in dem niemand rational denken könne und würden den Reflex ausnutzen, dass man alles für sein Kind tun wolle.

Woher wissen die Anrufer, dass die Opfer Kinder haben? Das wissen die Anrufer nicht: „Sie rufen gezielt Ältere an. An die Daten kommen sie durch alte Telefonbücher, über Teilnahme an Gewinnspielen oder von Katalogbestellungen“, so Ahlen. Jede Konstellation an Daten sei irgendwo zu kaufen.

Woran erkenne ich Betrüger bei einem Anruf, der sich als Polizist ausgibt? Der Betrug ist schwierig zu entlarven. „Die Dienstgrade sind inzwischen sehr plausibel“, weiß Ahlen. Hellhörig werden sollte man, wenn Fragen zu Geld kämen: „Die Polizei fragt nicht am Telefon nach Geld oder Wertgegenständen.“

Kann ein betrügerischer Anruf an der Nummer erkannt werden? Nein. Mit einem technischen Hilfsmittel („Spoofing“) lässt sich auf dem Display des Opfers jede Nummer darstellen. Oft werden Nummern mit Vorwahlen aus der Umgebung vorgetäuscht.

Wie verhalte ich mich richtig? „Es gibt nur eine richtige Reaktion: Auflegen. Ohne weitere Worte“, rät die Polizeisprecherin. Dies sei für die betroffene Generation sehr schwierig, da es unhöflich wirke. „Eine vorherige Entschuldigung gibt den Betrügern wieder die Möglichkeit, einzuhaken“, warnt Ahlen. Dann sollte, wenn möglich von einem anderen Apparat aus, die Polizei kontaktiert, Angehörige angerufen und sich überzeugt werden, dass alle Familienmitglieder wohlauf sind.

Sollte man versuchen, die Täter in eine Falle zu locken? Nein. „Man sollte nicht unterschätzen, wie psychisch belastend es sein kann, ein solches Gespräch über einen längeren Zeitraum zu führen“, so Ahlen.

Was soll ich tun, wenn ich betrogen wurde? Die Polizei empfiehlt, sofort Anzeige zu erstatten – und mit der Familie zu überlegen, wie man sich in Zukunft besser schützt.

Wie kann ich mich schützen? Wer nicht im Telefonbuch steht, kann einige Anrufe verhindern – aber nicht alle. Die Betrüger kaufen Daten aller Art auf. „Schutz gegen Anrufe kann nur bedeuten, dass generell weniger Anrufe hereinkommen“, weiß Ahlen. Oft ist ein Anruf aber für ältere Menschen eine Verbindung zur Welt. „Auch das machen sich die Täter zunutze: Dass jemand neugierig und voller Vorfreude auf ein Gespräch ans Telefon läuft – das macht den Schock dann umso größer.“ Man könnte alle eingehenden Anrufe auf einen Anrufbeantworter laufen lassen - und nur gezielt zurückrufen. Rufnummern von Bekannten und Verwandten können eingespeichert werden: Sobald von dieser Nummer angerufen werde, gehe der Anruf durch, sonst wird er abgelehnt“, sagt Ahlen.

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