Olympische Spiele Mager hadert mit hohem Puls

Olympische Spiele · Sportschützin Jessica Mager verpasste das olympische Finale mit dem Luftgewehr. "Ich hatte einfach viel zu viel Nervosität in mir. Mein linker Arm hat gezittert", sagte die 24-Jährige hinterher. Mit 394 Ringen belegte die Solingerin Platz 20.

 Jessica Mager musste in London erkennen, dass sich die Teilnahme bei Olympischen Spielen von jeder anderem Wettkampf abhebt.

Jessica Mager musste in London erkennen, dass sich die Teilnahme bei Olympischen Spielen von jeder anderem Wettkampf abhebt.

Foto: Anja Tinter

Jessica Mager hatte es eilig. Sie wollte ihre Eltern wiederfinden, bevor das olympische Finale im Luftgewehrschießen anfing. Schnellen Schrittes eilte sie über das Gelände der Royal Artillery Barracks im Südosten Londons, zwischen Zelten und den provisorischen Wettkampfstätten hindurch. Mager schaute sich das Finale von der Tribüne aus an.

Dabei wollte die 24-Jährige doch selbst am Schießstand stehen, wenn die acht besten der Welt anlegen. Doch die Solingerin, die für den Post SV Düsseldorf in der Bundesliga startet und aus dem SV Trompete Leichlingen hervorgegangen ist, war im Vorkampf nicht über Platz 20 im Feld der 56 Starterinnen hinausgekommen. Mit 394 Ringen blieb sie hinter ihren Ansprüchen zurück, keine der vier Serien brachte sie ohne Makel hinter sich. Immerhin schnitt sie noch besser ab als ihre Teamkameradin Beate Gauß, die im Vorfeld mit Playboy-Fotos für Aufsehen gesorgt hatte, als 32. aber nun deutlich hinter Mager lag. "Beide wurden unter Wert geschlagen", sagte Heiner Gabelmann, der Sportdirektor des Deutschen Schützenbundes.

Jessica Mager kämpfte um Fassung, als der Wettkampf ohne sie weiterging, die Finalteilnahme war ihr erklärtes Ziel gewesen: "Ich bin enttäuscht und erschöpft. Auf der anderen Seite: Der Trainer war zufrieden, also ist es nicht ganz so schlimm. Für mich ist aber schon eine kleine Welt zusammengebrochen. Aber das Leben geht weiter." Bei der ersten Ursachenforschung fand sie kaum Fehler: "Die Technik hat gestimmt, ich habe gut gestanden, wie eine Eins. Auch vom Kopf her habe ich gute Arbeit gemacht, das habe ich gemerkt. Ich hatte aber viel zu viel Nervosität in mir. Ich hatte einen hohen Puls, mein linker Arm hat gezittert, ich hätte wohl jedes Blutdruckmessgerät gesprengt."

Zu viel Bewegung vorn am Gewehr habe sie gespürt, sagte Mager. "Dann bekommt man automatisch Angst abzuziehen. Je mehr Unsicherheit aufkommt, desto häufiger schießt man eine Neun statt einer Zehn. Und wenn dann eine Neun da ist, wird man noch nervöser. Das schaukelt sich eben hoch", sagte sie. "Ich habe heute das erleben müssen, was mir alle gesagt haben: Olympia ist noch einmal eine ganz andere Nummer."

Falls sie die Qualifikation für die nächsten Spiele 2016 in Rio de Janeiro schaffen sollte, wisse sie besser, was auf sie zukomme. Gerade die Erfahrungen, die sie in den vergangenen fünf Monaten gesammelt hat, kämen ihr dann zugute, meint sie. Nie hatte sie so in der Öffentlichkeit gestanden wie in der Zeit nach ihrer Olympia-Nominierung. Sogar als Kandidatin für die erste deutsche Medaille in London war Mager gehandelt worden. "Das sind Sachen, die man versucht auszublenden. Aber ich bin ein menschliches Wesen. Da bleibt so etwas im Hinterkopf. Ich wusste, was hier auf dem Spiel steht."

Um 4.30 Uhr waren Gauß und Mager in ihrem Quartier im Olympischen Dorf aufgestanden, um in Ruhe zu frühstücken, hinaus zur Schießanlage zu fahren und die Vorbereitung für den um 8.15 Uhr beginnenden Wettkampf aufzunehmen. Die erste halbe Stunde der Eröffnungsfeier hatten sich die beiden am Freitagabend noch im Fernsehen angeschaut. "Dann haben wir mitgekriegt, sie sich die ganze deutsche Mannschaft vor dem Haus auf den Einmarsch vorbereitete. Beate und ich haben wehmütig und neidisch auf dem Balkon gestanden." Eine Teilnahme an der Eröffnungsfeier, die bis tief in die Nacht dauerte, war für die beiden ja nicht möglich. Als das Feuerwerk im nahe gelegenen Olympiastadion von der Eröffnung durch die Queen kündete, "haben wir beide senkrecht im Bett gestanden. Es war schwierig wieder einzuschlafen, denn man wusste ja genau, was da hinten läuft."

Den Samstagnachmittag verbrachte Jessica Mager mit ihren Eltern, die gestern schon wieder in die Heimat reisten. Die Schützin bleibt noch bis kommenden Sonntag in London. Die Wettkämpfe der Bogenschützen im Lord's Cricket Ground will sie sich noch anschauen und — falls sie Karten bekommt — die Mannschaftskonkurrenz der Gerätturner.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort