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Solingen Motivationstraining für Schüler

Solingen · Um die Versetzung noch zu schaffen, drücken 160 Schüler aus NRW in den Osterferien die Schulbank. Sie arbeiten an ihrer Einstellung zum Lernen. Bildungsforscher setzen sich für regelmäßige Motivationstrainings in den Schulen ein. Politiker fordern eine bessere Weiterbildung der Lehrer.

In Englisch, Französisch, Biologie und Erdkunde steht Pascal zwischen den Noten vier und fünf. Die Versetzung des 15-Jährigen von der achten in die neunte Klasse ist damit akut gefährdet. "Ich habe keine Lust zu lernen, und ich weiß nicht, was ich lernen soll", sagt der Gymnasiast aus Mönchengladbach. Aber nachdem er schon einmal sitzengeblieben ist, weiß er, wie schwer es ist, sich in eine neue Klassengemeinschaft einzufinden. "Das möchte ich nicht noch mal durchmachen."

Bei den "Lernferien NRW" tanken Pascal und 159 weitere Schüler aus Nordrhein-Westfalen in den Osterferien jeweils fünf Tage lang Selbstbewusstsein und stärken ihre Motivation. 20 Achtklässler von Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien arbeiten in der Jugendherberge Gräfrath in Solingen daran, ihre Versetzung zu sichern. Sie wurden von ihren Lehrern für das Programm empfohlen und angemeldet. Das Schulministerium finanziert das Projekt mit rund 250 000 Euro pro Jahr. Ziel ist es nicht, Inhalte zu vermitteln.

Stattdessen sollen Jugendliche eine neue Haltung zur Schule bekommen, ihre Lernmoral verbessern. Dazu gehört, wie man einen Arbeitsplatz organisiert, wie gesunde Ernährung aussieht, welcher Lerntyp sie sind, welche Zukunftsperspektiven sie haben, was sie sich zutrauen. Die Betreuung übernehmen Erlebnis- und Sozialpädagogen, Erziehungswissenschaftler und Referendare — "bewusst keine Lehrer", sagt Nina Braun von der Stiftung Partner für Schule NRW, die das Feriencamp organisiert.

"Hier sitzen viele begabte Kinder, die aber nicht wissen, wofür sie lernen oder die in der Schule ausgelacht werden und sich deshalb nicht trauen, sich zu melden", sagt Koordinatorin Ulrike Wilden-Dellgrün vom Träger, dem Kolping-Bildungswerk Köln. Besonders bei Kindern, die Mobbingopfer sind, könne "Erlebnispädagogik das Selbstbewusstsein stärken und die Belastbarkeit in der Schule fördern", sagt der Düsseldorfer Bildungsforscher Heiner Barz.

Dass bei den "Lernferien NRW" Schüler aller Schulformen zusammenarbeiten, findet Barz einen guten Ansatz. "Bei Kindern gibt es in verschärfter Form das Gefühl von Statusunterschieden", sagt Barz. "Hier aber haben alle dieselben Probleme." Solche Trainingseinheiten müssten auch im Schulbetrieb verbindlicher gemacht werden, fordert er. "Zugunsten sozialer Kompetenzen müssen Lehrpläne entschlackt werden." Unterstützung bekommt er von seinem Dortmunder Kollegen, dem Bildungsforscher Wilfried Bos: "Wenn ein Kind gut motiviert ist, strengt es sich mehr an und wird auch fachlich besser."

Nach aktuellen Studien wird in Deutschland jeder vierte Schüler während seiner Schullaufbahn zum Mobbingopfer. Fünf bis zehn Prozent aller Schüler werden sogar regelmäßig von ihren Mitschülern terrorisiert. Lernferien-Teilnehmerin Lara weiß, wie es ist, wenn an Schulen gemobbt wird. "Unsere Klasse gilt als die schlimmste an der Schule", sagt die 15-Jährige aus Wegberg. Auch wenn sie selbst nicht zu den Mobbingopfern gehöre, sei das Lernklima unangenehm und belastend. "Regelmäßig fliegen bei uns Gegenstände durchs Klassenzimmer", sagt sie. Lara, die ihre Leistungen in Deutsch und Chemie verbessern muss, genießt die Lernzeit in Solingen, bei der es deutlich konzentrierter zugeht.

Die Rückmeldungen der Lehrer nach den Camps seien positiv, berichtet Nina Braun von der Stiftung Partner für Schule NRW. 2009 habe eine mündliche Stichprobe unter den Schulen ergeben, dass 85 Prozent der Teilnehmer an den Lernferien, die Versetzung geschafft hätten. Bildungsforscher Wilfried Bos ist ebenfalls von dem Erfolg von Feriencamps überzeugt: "Wir haben damit an der Universität gute Erfahrungen gemacht. Innerhalb eines Lesecamps haben die Schüler in drei Wochen so viel gelernt wie in einem halben Schuljahr."

Für die Schüler könnten die Lernferien nur punktuell etwas ausrichten, meint Thomas Sternberg, der schulpolitische Sprecher der CDU-Fraktion. Es werde nur wenigen hundert Schülern geholfen, im Schuljahr 2009/10 seien aber 63 228 Schüler sitzengeblieben. "Wir brauchen eine konsequente Lehrerfortbildung, um die Qualifikation unserer Lehrer zu erweitern", sagt Sternberg. "Auch die Ausbildung muss systematischer werden und auf solche Probleme eingestellt werden." Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Landtagsfraktion, Ralf Witzel, bekräftigt, dass es eine individuelle Förderung der Schüler geben muss — vor allem, wenn der Lernerfolg von begabten und hochbegabten Schülern durch Mobbing gefährdet ist. "Gerade dort, wo kognitive Fähigkeiten nicht das Problem sind, müssen wir den Schulerfolg sicherstellen", sagt Witzel.

Lara und Pascal sehen den nächsten Klassenarbeiten schon etwas gelassener entgegen. "Ich muss ordentlicher werden, sonst lasse ich mich zu leicht ablenken", sagt Lara. Und Pascal erklärt: "Ich darf nicht einfach drauflos schreiben, nur um die Arbeit schnell hinter mich zu bringen. Dieses Mal will ich die Versetzung schaffen."

(RP)
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