Närrischer Lindwurm zum letzten Mal durch Alt-Otzenrath Karneval mit einem Hauch Wehmut

Närrischer Lindwurm zum letzten Mal durch Alt-Otzenrath · Wehmut ist kein typisches Karnevals-Gefühl. Doch als der Zug am Samstag Nachmittag bei strahlend schönem Frühlingswetter durch Alt-Otzenrath zog, wurden die Menschen daran erinnert, dass ihre Tage hier gezählt sind. Trotzdem gelang es ihnen, unbeschwert zu feiern. Was sie wütend macht und was mehrfach thematisiert wurde: Neu-Otzenrath soll keine selbstständige Pfarre bekommen. Und: Nicht nur das Leben geht weiter, auch das Winterbrauchtum.

Am 21. Februar 2004 wird der närrische Lindwurm durch Neu-Otzenrath ziehen. Heruntergelassene Jalousien, längst aufgegebene Häuser - Otzenrath wirkt gespenstisch. Am Samstag bekam der Ort noch einmal buntes, pralles Leben eingehaucht. Luftballons zierten trostlose Fassade, Karnevalsfreunde in fantasievollen Kostümen reisten mit Pendelbussen aus Neu-Otzenrath an. Statt zwölf Gruppen im vorigen Jahr machten 15 mit - 140 Narren waren dabei.

Einer von ihnen ist Burkhard Schrey. Gegenüber der NGZ gesteht der 54-Jährige: "Ich wache nachts mehr als einmal auf, weil mich die bevorstehende Umsiedlung belastet." Im August, nach der Kirmes, stehe die erste große Abrissaktion bevor. Dann vertreibt Schrey die trüben Gedanken, ruft: "Musik an, damit die Leute wach werden." Am Mottowagen der Pfadfinder gibt es eine Runde Glitzerspray fürs Narren-Haar. Hier wird aus der Enttäuschung über die Kirche kein Hehl gemacht: "Halt se mich vam Liev - ich bin e su bang", lassen die Pfadfinder den Bischof sagen.

Die neun Frauen von "Prutsch dureen" (übersetzt: "total durcheinander") prangern als Geistliche verkleidet die "Aachener Scheinheiligen" an. Der Spielverein Otzenrath trat als Schotten auf. "Wir machen die Schotten dicht", lautete ihr Motto zur baldigen Umsiedlung. Die Bemerkung "Rheinische Schotten - halb so geizig wie der Bischof" war ein Seitenhieb Richtung Bistum Aachen. Spielverein-Mitglied Frank Ceglarek sagte aber deutlich: "Im kommenden Jahr geht es weiter." Häftlinge und Polizisten mit Gummiknüppel waren unter dem Motto "Der Frauenknast zieht um" dabei.

Die Mitglieder des Kanonenzuges "De Böllerköpp" zogen mit einem Unimog durch den Ort, dessen Motorhaube ein riesiges Fantasiegeweih zierte. Die Sportler des SV 09 Otzenrath hatten sich als Fußbälle verkleidet und verkündeten: "Wir schießen kein Eigentor." Fünf Karnevalsfreunde vom Hausmuseum Otzenrath wollten Otzenrath unter Denkmalschutz gestellt sehen - sie produzierten unter anderem auf einem alten Waschbrett ungewöhnliche Geräusche.

Eine Gruppe aus Spenrath machte mit ihrem "Märchenwald" mit. Was sie beklagte: "Das Bistum erzählt Märchen." Diesmal nur als Zuschauer dabei Bewohner der Otzenrather Lebenshilfe. Den glanzvollen Schlusspunkt des langen, bunten und - allen Widrigkeiten zum Trotz - fröhlichen Zuges bildete das Klompenkönigspaar Albert und Maria Strauch. Der gelernte KfZ-Mechaniker-Meister hatte einen alten Opel Kadett eigenhändig zum Prinzen-Pick-up umgebaut. barni

(NGZ)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort