Gisela Stolze arbeitet mit Schwerbehinderten Mit Tanz und Musik zu mehr Selbstbewusstsein

Mann oder Frau stelle sich vor, er oder sie soll ein Theaterstück aufführen. An sich kein Problem, aber wie machen sie das, wenn sie nicht sprechen können, überhaupt Schwierigkeiten haben, mit anderen Menschen zu kommunizieren?

Genau das will Theaterpädagogin Gisela Stolze (52) den schwer- und schwerstbehinderten, zum Teil auch autistischen Patienten der St. Mauritius Therapieklinik in Osterath beibringen. Die Kinder und Jugendlichen im Alter von vier bis 18 Jahren sollen lernen, trotz ihrer Behinderung ihre Gefühle auszudrücken.

In der wöchentlichen Sitzung, die eineinhalb Stunden dauert, versucht Gisela Stolze mit den Kindern Strophen aus Liedern szenisch nachzuspielen. Erst hören die Kinder den Liedtext, dann stellen sie den Inhalt zur Entspannungsmusik von Ravel oder Peer Gynt pantomimisch nach. "Die Kinder lassen durch Handbewegungen zum Beispiel ein Samenkorn zu einem Baum werden", erklärt Gisela Stolze, die seit einem Jahr in der Klinik beschäftigt ist.

Es wird gespielt, aber auch gemalt, um die Entwicklung des Korns darzustellen. Wenn die Gruppe ein Lied komplett erarbeitet hat, schließt sich eine Aufführung im Foyer der Klinik vor Eltern und anderen Patienten an. "Durch diese Therapie erlangen die Kinder ein höheres Selbstbewusstsein. Sie sind nicht nur ein Kind im Rollstuhl, sondern ein Akteur auf der Bühne", sagt Gisela Stolze lächelnd.

Behinderte Kinder sind ganz anders zu behandeln als gesunde. Manche vergessen von einer Woche auf die andere, was sie gelernt haben, und die Therapeutin ist immer wieder eine fremde Frau. Wenn die Kinder aber die bekannten Lieder hören, fällt ihnen alles wieder ein. Darauf kann Stolze dann aufbauen. Andere Therapien mit dem Ziel, das Laufen wieder zu erlernen, verbinden die Jugendlichen oft mit Schmerzen, verstehen den Sinn nicht.

Durch das Theaterspielen stabilisiert sich die seelische Verfassung der behinderten Kinder. "Es ist immer wieder ein Erlebnis, was für ausdrucksstarke Elemente aus diesen jungen Menschen heraus zu holen sind", begeistert sich die Theaterpädagogin. Obwohl die Sitzung außerhalb der normalen Therapiezeiten liegt und freiwillig ist, kann sich Gisela Stolze nicht über mangelndes Interesse beklagen.

Im Moment arbeitet sie daran, das Theaterspielen in die festen Therapiestunden zu integrieren, denn noch ist die Größe der Gruppe von den sonstigen Nachmittagsaktivitäten der Kinder abhängig. Da die normalen Therapiezeiten immer vormittags liegen, das Theaterspielen aber mittwochs nachmittags stattfindet, haben einige Eltern die Zeit mit ihrem Kind schon verplant. Gisela Stolze bereitet für Ostern ein Frühlingsfest vor, an dem die Kinder ihren Eltern und anderen Patienten der Mauritius-Therapieklinik zeigen können, was sie gelernt haben.

(NGZ)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort