Remscheider vor Gericht Kokainsucht führt zu Betrügereien

Remscheid · Eine überraschende Wendung nahm der Berufungsprozess gegen einen 44-jährigen Bauunternehmer aus Remscheid, der vom Amtsgericht wegen diverser Betrügereien mit einer Schadenssumme von über 29.000 Euro zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt worden war.

Die Berufungen wurden zurückgenommen.

Die Berufungen wurden zurückgenommen.

Foto: dpa/Volker Hartmann

In der Strafe enthalten auch: der misslungene Subventionsbetrug am Staat – für die bereits insolvente Firma hatte er zu Corona-Zeiten Unterstützung beantragt, das fiel auf, eine Auszahlung wurde abgelehnt. Alle Taten fanden in den letzten beiden Jahren statt, weitere Verfahren vorher waren wegen Geringfügigkeit eingestellt worden.

Nicht nur der Angeklagte, sondern auch die Staatsanwaltschaft waren in Berufung gegangen – dieser war das Strafmaß viel zu gering. Der Angeklagte dagegen hatte einen anderen Grund – er sei seit Jahren kokainsüchtig, und wolle die Haft statt in einem normalen Gefängnis lieber in einer Entziehungsanstalt zu einer stationären Therapie nutzen. Diese Sucht habe er vor seiner Familie verbergen wollen und deshalb kein Wort darüber vor dem Amtsgericht verloren. Leider sei diese Sucht, die an Silvester 2010 begann, die tatsächliche Ursache der Betrügereien – er brauchte das Geld für das Kokain, rechnete er dem Gericht unter Tränen vor. Ein Gramm pro Tag zu Anfang, bis zu zwölf Gramm am Schluss, je Gramm 80 Euro. Seine durch das Gift zerstörte Nase sei ein Beweis.

Bereits 2011 habe das Gesundheitsamt in Remscheid nach acht Monaten Kokainmissbrauch eine „emotionale instabile Persönlichkeitsstörung“ festgestellt. 2014 habe es weitere Hinweise auf Drogenkonsum bei einem Prozess in München gegeben. Diverse andere Verfahren wegen Drogensachen seien eingestellt worden. Aber die Glücksgefühle seien im Laufe der Zeit weggeblieben, stattdessen hätten ihn Depressionen und Herzrasen gequält, ein angstlösendes Gegenmittel habe eine weitere Sucht zur Folge gehabt. Es ging weiter bergab: ein Selbstmordversuch, familiäre Probleme, schließlich die Scheidung – aber kein Wort davon beim Amtsgericht und in der Familie.

Eine Neuverhandlung hielt das Gericht für sinnlos. Die Taten waren nie bestritten worden, die Bereitschaft zum Schadenersatz sei zwar dagewesen, aber durch die Sucht überlagert worden. Da die Entscheidung über eine Entziehungskur schon beim Amtsgericht hätte fallen müssen, schlug das Gericht eine Rücknahme beider Berufungen vor. Denn die geplante Entziehungskur könne auch nachträglich noch von der Rechtspflege bestimmt werden, die Chance gäbe es. Dazu wurde eine Empfehlung des Richters protokolliert. Ein Kompromissvorschlag, den beide Seiten so akzeptierten.

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