Ratingen Im Wohnheim ist es wie in einer Großfamilie

Ratingen · Björn Kremer hat die Leitung im Lebenshilfe-Haus an der Werdener Straße übernommen. Am Schreibtisch sitzt er aber nur halbtags.

 Wohnheim-Leiter Björn Kremer kümmert sich um Sonja Klein, die als Einzige derzeit nicht in der Werkstatt arbeitet.

Wohnheim-Leiter Björn Kremer kümmert sich um Sonja Klein, die als Einzige derzeit nicht in der Werkstatt arbeitet.

Foto: Blazy, Achim (abz)

Björn Kremer war an diesem Tag zum Frühdienst eingeteilt. Der beginnt im Wohnheim der Lebenshilfe an der Werdener Straße in Ratingen um 6 Uhr. 14 schwerst-mehrfach Behinderte leben dort. Ein vergleichsweise kleines Haus. Und deshalb hat der Leiter auch keine rein administrativen Aufgaben. Er ist zur Hälfte in den täglichen Ablauf im Haus eingebunden, dass heißt zu Früh- und Spätdiensten eingeteilt.

Diese Regelung war mit ausschlaggebend für den 42-jährigen Kremer, die Leitungsstelle im Haus zu übernehmen. „Aber auch sonst passte alles“, sagt er. Vorgefunden hat er ein engagiertes Team mit 20 Mitarbeitern und zwei Auszubildenden. Außerdem ein recht neues Haus, das erst im Jahr 2003 eröffnet wurde.

Mit der Lebenshilfe kam Kremer bereits während seines Zivildienstes erstmals in Kontakt. Seinen Dienst versah er damals in Langenfeld. Nach einer Ausbildung zog es ihn zur Lebenshilfe nach Düsseldorf, wo er schließlich die Leitung eines Wohnheims übernahm. Die nächste Station war Solingen, bei einem anderen Träger. Dann der Entschluss, „nach 15 Jahren zu studieren“. Bei der Suche nach einer neuen Stellung „hatte ich immer auch die Lebenshilfe auf dem Schirm“, sagt er. In Ratingen passte es schließlich. „Das Haus ist sehr an der Teilhabe orientiert“, ebenso wie Kremer auch.

Teilhabe am öffentlichen Leben heißt für die Bewohner: mal ins Kino gehen, ein Eis essen, einkaufen gehen in der Stadt oder Ausflüge unternehmen. Zweimal im Jahr stehen gemeinsame Reisen auf dem Programm. Zu den besonderen Höhepunkten im Sommer zählt aber eindeutig das Grillen im hauseigenen Garten.

An den Vormittagen ist es ruhig im Haus, die Bewohner im Alter von 18 bis 57 Jahren sind bis nachmittags in der Werkstatt. Nur Sonja Klein bleibt  zurück. Aufgrund einer Erkrankung kann sie nicht mehr arbeiten. In ein paar Jahren könnten es mehr werden, die den ganzen Tag im Wohnheim vebringen, nämlich dann, wenn sie Rentner sind. Kremer arbeitet deshalb derzeit an einem Konzept für künftige Tagesstrukturen.

Derzeit nutzen die Mitarbeiter die bewohnerfreien Zeiten für administrative Ausgaben wie die Absprachen mit Betreuern, besorgen Medikamente für die Bewohner und gehen einkaufen. Gegen 15.30 Uhr kehren die Bewohner aus der Werkstatt zurück, abends wird gemeinsam gegessen. Am Wochenende wird auch mittags gekocht. Allerdings sind am Wochenende nicht immer alle Bewohner im Haus. „Ein Teil wird mit dem Fahrdienst nach Hause gebracht oder wird abgeholt“, sagt Kremer. Selbstverständlich können die Verwandten auch jederzeit im Wohnheim vorbeischauen.

Da das Haus recht überschaubar ist, leben die Bewohner und die Betreuer eher wie in einer Großfamilie, in der das Essen eine große Rolle spielt. Das Motto der Lebenshilfe lautet deshalb: Das Essen soll jedem schmecken. Ob das so ist, wird nach den Mahlzeiten abgefragt. Während am Wochenende die Hauswirtschafts-Kräfte das Kochen übernehmen, sind in der Woche auch schon mal die Betreuer an der Reihe. Heute ist es Björn Kremer, der für Sonja Klein das Essen zubereitet. „Es gibt Reibekuchen, Sonja“ sagt er und erntet keinen Widerspruch.

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