Neuss Viel Lärm um Macbeth

Neuss · Das Londoner Icarus Theatre eröffnete das Shakespeare-Festival im Globe mit einer blattgetreuen Inszenierung des blutigen Dramas "Macbeth". Regisseur Max Lewendel setzt dabei vor allem auf Geräusche.

 Das Ehepaar Macbeth – gemeinsam haben sie sich die Hände blutig gemacht und werden nacheinander daran zugrunde gehen.

Das Ehepaar Macbeth – gemeinsam haben sie sich die Hände blutig gemacht und werden nacheinander daran zugrunde gehen.

Foto: Mayou Trikerioti

Die Schlussszene treibt das Prinzip der Inszenierung auf die Spitze. Macbeth ist tot, und ein Gedröhn setzt ein, dass man glaubt, das Globe erzittern zu spüren und nur noch wenige Minuten auf der Erde zu weilen: So muss es sich anfühlen- und hören, wenn eine Rakete zum Flug ins All abhebt. Max Lewendel hat seine Bearbeitung des Shakespeare-Dramas für sein Ensemble vom Londoner Icarus Theatre mit einem Klang- und Geräuschteppich unterlegt, der den runden Holzbau fast sprengt.

Ein "Macbeth" vom Blatt in Originalsprache hat es schon länger beim Shakespeare-Festival nicht mehr gegeben. Insofern also ist der Auftakt der aktuellen Auflage des Festivals im Globe schon eine besondere Angelegenheit. Martialisch, laut und mit viel Symbolik unterlegt kam die solide Inszenierung daher, mit phantastisch choreografierten Kampfszenen, sauber gesprochenen Texten, aber wenig innovativ, was Interpretation und bildnerische Umsetzung betrifft.

Die raue Seite moderner wie klassischer Dramen zu zeigen, ist zwar die Politik der vor knapp sechs Jahren gegründeten Theatergruppe, und dass "Macbeth" zu jenen gehört, deren archaische Seite sich im zeitgenössischen Theater ebenso drastisch wie nachhaltig inszenieren lässt, hat Jürgen Gosch 2005 im Düsseldorfer Schauspielhaus auf unvergessliche Weise bewiesen. Mit nackten (männlichen) Hexen, in pausenlosen zweieinhalb Stunden mit erbarmungslosen Bildern, die bedrängend und unausweichlich die Ungeheuerlichkeit des Bösen im Menschen bloßlegen. Doch davon ist Lewendels Inszenierung weit entfernt.

Blutdurst und Skrupellosigkeit bestimmen zwar auch bei ihm die Gesellschaft am schottischen Hofe, aber seine Bilder sind stark am Effekt orientiert. Licht und akustische Mittel spielen die größte Rolle, kaum eine Szene, die nicht mit Geräuschen unterlegt ist. Sehr plakativ auch, dass jeder Mord mit einem neuen roten Blitz in einer der Bühnenbild bestimmenden Stelen markiert wird.

Auf einer großen Guckkastenbühne mag das funktionieren; im Globe aber mit geringer Distanz zum Publikum erschlägt es das Spiel. Zumal da auch die Schauspieler nur in Teilen überzeugen (etwa John Eastman als gradliniger Banquo). Der Macbeth von Joel Gorf keucht und schnauft, wirkt aber dennoch recht kraftlos; großen Machthunger mag man ihm nicht abnehmen. Und die anfängliche Ahnung, dass der Fokus in dieser Inszenierung auf einer von Beginn an psychopathischen Lady Macbeth liegt — so betont fahrig wie Sophie Brooke sie spielt —, verflüchtigt sich mit der Zeit, da Brooke auch ihre anderen Rollen nicht anders angeht. Die Archaik des Themas spiegelt sich indes in der Darstellung der drei Hexen wieder, die Macbeth den Aufstieg zum König prophezeien und damit auch seinen Untergang einleiten. Sie wispern, kreischen, janken, jauchzen, kriechen, schleichen, winden sich, so dass sie ganz wie Wesen aus einer Welt wirken, von der man lieber gar nichts wissen möchte.

(NGZ/url)
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