Unternehmen in Neuss Das Ende einer Ära

Neuss · Der letzte in Neuss gebaute Case/IHC-Schlepper verließ am 27. Juni 1997, also genau heute vor 25 Jahren, das Montageband des Neusser Werkes. Es war ein roter Maxxum-Schlepper.

 Vor 25 Jahren lief in Neuss der letzte Trecker vom Band. Daran können sich (v.l.) Sascha Grahl, Jan Volkers und Juergen Schwäbe gut erinnern. Alls drei arbeiteten für die IHC.

Vor 25 Jahren lief in Neuss der letzte Trecker vom Band. Daran können sich (v.l.) Sascha Grahl, Jan Volkers und Juergen Schwäbe gut erinnern. Alls drei arbeiteten für die IHC.

Foto: Georg Salzburg (salz)

67931 – so lautete die Fahrgestellnummer des letzten in Neuss gebauten Case/IH-Schleppers. Er war das Modernste, was es damals gab. Eine Industrie-Ära ging damit zu Ende. Heute steht dieser Schlepper im Kreiskulturzentrum in Sinsteden.

„Der letzte Neusser“, steht auf dem monumentalen Maxxum, der Pkw-Komfort bot und an deren Entwicklung Porsche beteiligt war. Dass das Werk in Neuss nicht in Vergessenheit gerät, dafür sorgen Leute wie Sascha Grahl, Jürgen Schwäbe und Jan Volkers. Grahl war in der Werbeabteilung der Traktorenfabrik beschäftigt, Jürgen Schwäbe arbeitete sich vom Auszubildenden bis zum Chef-Ingenieur hoch und Jan Volkers heuerte nach seinem Maschinenbaustudium bei dem Neusser Unternehmen an. Alle drei Männer haben sie miterlebt, die guten und die schlechten Zeiten.

Bis 1980 wurden 100 Traktoren und 300 Dieselmotoren pro Tag in Neuss am Hafen gefertigt“, erzählt Jürgen Schwäbe. Und er fügt weitere beeindruckende Zahlen hinzu: „Damals beschäftigte das Werk 4200 Mitarbeiter, darunter 1960 Ausländer aus 33 Nationen.“ Wer bei der IHC (International Harvester Company) beschäftigt war, galt als kreditwürdig, viele Beschäftigte konnten sich so den Traum vom Eigenheim verwirklichen.

 Blick in die Montagehalle – am 27. Juni 1997 war Schluss, der letzte Trecker lief vom Band.

Blick in die Montagehalle – am 27. Juni 1997 war Schluss, der letzte Trecker lief vom Band.

Foto: Stadtarchiv Neuss

Traktoren wie der MAXXUM waren die Sensation auf dem Markt. Die Zukunft schien rosig – bis die Wirtschaftsflaute begann: „Ab 1980 standen Traktoren auf Halde, erst kam die Kurzarbeit, dann es Entlassungen“, berichtet Jürgen Schwäbe. Die Neusser arbeiteten mit dem Entwicklungszentrum in Chicago zusammen, insgesamt sind es rund 1350 Ingenieure, die den Maxxum-Schlepper in einem Zeitraum von sechs Jahren entwickelten – produziert wurde er dann in Neuss und Racine/USA.

Am 28. April 1993 sickerte schließlich die Nachricht durch, dass das Werk in Neuss geschlossen werden sollte. Unter der Leitung des Vorsitzenden des Neusser Betriebsrats Mustafa Igde sei damals, daran erinnern sich die drei Männer sehr gut, ein beispielloser Kampf entstanden – erst gegen die Schließung des Werks und dann für einen Sozialplan. Noch heute wissen die Männer so manche Anekdote zu erzählen. Jan Volkers (68), der einen neuen Job bei einem Autozulieferer finden sollte, hat das Arbeitsklima in bester Erinnerung. Er trifft sich noch zweimal im Jahr mit Kollegen von früher. Schwäbe (77) erinnert sich an seine Mission in Usbekistan: Er sollte dort ein Joint-Venture einfädeln mit dem Ziel, dass dort Case-Traktoren gebaut werden. Schwäbe konstruierte später unter anderem innovative Müllwagen, wie sie um Berlin, auf Malloca sowie in Barcelona immer noch im Einsatz sind. Sascha Grahl sollte bis 2004 für das Unternehmen arbeiten, die letzten Jahre als freier Mitarbeiter.

Ihm sind die zahllosen Fotos zu verdanken, die dazu beitragen, die Erinnerung an das Neusser Werk wachzuhalten. Was sie bis heute nicht begreifen: Warum damals die Entscheidung getroffen wurde, die Produktion auf einen Standort zusammenzulegen, und zwar im englischen Doncaster. Das ist für sie auch nach 25 Jahren noch nicht nachvollziehbar. Jürgen Schwäbe vermutet folgenden Grund: „Die Engländer konnten gut mit den Amerikanern kommunizieren und sich gut verkaufen.“ Zum Schluss sollte es nochmal ganz dicke kommen: Das Managerteam des Chrysler-Sanierers Lee Iacocca übernimmt quasi die Leitung des Neusser Werkes. Sie gingen, so Schwäbe, mit einer „brutalen Unverfrorenheit“ vor, indem sie beispielsweise hochverdiente deutsche Mitarbeiter von heute auf morgen ohne jegliche Vorwarnung freistellten.

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